Heute möchte ich eine Künstlerin vorstellen, die bis zu ihrem Tod in Köln gelebt hat, eine die ich persönlich kennen lernen durfte anlässlich einer großen Ausstellung der Alterswerke ihres Mannes: Ursula ( Schultze - Bluhm ).Barbara/barbarabee hat eine bemerkenswerte Reihe initiiert, bei der sie donnerstags in ihrem Blog besondere Frauen in Wort und Bild vorstellt. Da ich mich jahrelang mit diesem Thema befasst habe, habe ich mir vorgenommen, auch ab und an einen Post zu einer solch bemerkenswerten Frau zu beizusteuern.
So ganz anders als ihr eloquenter, verbindlicher, drahtiger Ehemann Bernard Schultze, wirkte sie sehr zerbrechlich, zurückhaltend, mit fast unnahbar koboldhaftem Gesicht aufmerksam die Menschen beobachtend. Eine ungeheuer elegant gekleidete Frau mit einer zu diesem Auftritt auffallend konträren Tasche in Tierform! Ein bisschen wirkte sie auf mich, als sei sie so gar nicht von dieser Welt, aber auch durchaus "zupackend", wenn sie herausgefordert wird. Das ist meine Erinnerung an sie.
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Nach Ende des Krieges arbeitet sie für das Amerika - Haus Berlin in der Kulturabteilung. Später ist sie auch für Hessen zuständig und zieht 1950 nach Frankfurt/Main um, wo sie zu malen und zu schreiben beginnt. Rilke und die französischen Symbolisten sind ihre Vorbilder, und die "Blumen des Bösen" blühen schon auf ihren ersten Bildern zusammen mit Kobolden & Dämonen & Mischwesen aus Mensch und Tier.
Ab 1951 fährt sie regelmäßig nach Paris, wo sie 1954 von Jean Dubuffet für sein "Musée de l'Art Brut" entdeckt wird. Unter Art Brut versteht man die autodidaktische Kunst von Laien, Kindern und Geisteskranken, wie man es in dieser Zeit noch ausgedrückt hat.
Im Rahmen ihrer Arbeit für das Amerika- Haus lernt sie 1949 auch den Maler Bernard Schultze kennen, der zeitweise eine Kinder - Malklasse im Frankfurter Amerika - Haus unterrichtete und sie mit dieser Kindergruppe nach Paris begleitet. Schultze zählte damals zu den Malern des deutschen Informel, und mit der Gruppe Quadriga stellt er 1952 in der Frankfurter Zimmergalerie aus, der selben Galerie, die 1954 auch Werke von Ursula dem Nachkriegspublikum nahe bringt. 1955 heiratet sie Bernard Schultze und führt den Namen Schultze- Bluhm.
Ursulas künstlerischer Werdegang beginnt in einer Zeit, als der Surrealismus im Nachkriegsdeutschland noch besondere Beachtung erfährt - sie selbst mag Max Ernst am liebsten. Es liegt nahe, weil sie Phantastisches zeichnet & malt, sie in diese Schublade zu stecken. Doch das wird ihr nicht gerecht.
Aber auch die Zuordnung zur Art Brut passt nicht so richtig, denn Ursula geht mit preußischer Disziplin an ihre Arbeiten: Bevor sie ein Bild beginnt, legt sie alles in einer Skizze fest, notiert und ordnet sie die Motive. Dann erst lässt sie ihren Händen freien Lauf, lässt sie sich überraschen.
Und für die Kategorie "Naive" ist Ursulas phantastische Welt zu sperrig, zu wenig harmlos:
Zu ihrer "Salomé" von 1962 sagt Karl Ruhrberg einmal: "Die 'Botschaften' von Ursulas Bildern und Legenden sind wie in alten Märchen - von den Brüdern Grimm bis zu Tausendundeiner Nacht - bisweilen boshaft und manchmal sogar grausam, aber nie tödlich."
Ursulas heimlicher Kindheitstraum ist, eine Grande Dame zu sein ( am liebsten hätte sie immer in Paris gelebt ). Auch das kommt in diesem wie auch vielen anderen Gemälden zum Ausdruck.
Der Einfluss von Kindheitserlebnissen wird besonders deutlich, als Ursula anfängt, Assemblagen & kleinere Objekte mit Fell, Federn, Haaren anzufertigen, denn in der Kindheit hat sie von der Mutter einen Pelzmantel bekommen und vom Vater eine große Zigarrenkiste, und so ihre erste Pelzkiste geschaffen.
In der überbordend dekorierten Wohnung der Großmutter in Berlin, hinter Portieren, auf Fellen unter Tischen sitzend, alte Bilder mit Stillleben oder Tiermasken, federgeschmückt, an den Wänden wird sie selber zur Maske, spielt sie Rollen. "Meine Berlin - Träume" heißt dieses Bild:
Obwohl die Künstlerin nicht eindeutig zuzuordnen ist, wird ihre Kunst in den Sechzigern immer populärer, was an den vielen Ausstellungen abzulesen ist, die sie ab Ende der Fünfziger Jahre in Deutschland bzw. Paris hat. Es erscheinen Mappenwerke, sogar einen Kunstkalender bringt die Galerie Brusberg 1967 auf den Markt.
Auf Empfehlung von Sammlern & Museumsfreunden zieht Ursula 1968 mit ihrem Mann nach Köln, wo sie in vielen Ausstellungen vertreten ist. Damals muss ich ihren Werken auch zum ersten Mal begegnet sein bei der Ausstellung 1969 in den Städtischen Kunstsammlungen Bonn. Ihre Art zu zeichnen hat mich auf jeden Fall zu etlichen Tuschzeichnungen inspiriert, die ich noch besitze.
Aus dieser Zeit stammt auch das Foto oben mit ihrem Mann.
Ab 1966 entstehen als erste Groß - Objekte die Pandora - Schränke: 1966 "Der große Schrank der Pandora", 1968 "Der kleinere Schrank der Pandora", 1969 "Pandoraschrank mit den vielen Gesichtern", 1972 der "Pandora - Tierschrank":
Hier kann man einen virtuellen Rundgang um das große Kunstwerk machen:
Ursula unternimmt in den Siebziger Jahren viele Reisen & Studienaufenthalte nach St. Petersburg, Asien, Mexiko, den Vereinigten Staaten. Das Bild "Manhattan Transfer" ist allerdings schon 1965 entstanden nach ihrem 1. Aufenthalt in den USA:
1956 Via |
Aber auch die Zuordnung zur Art Brut passt nicht so richtig, denn Ursula geht mit preußischer Disziplin an ihre Arbeiten: Bevor sie ein Bild beginnt, legt sie alles in einer Skizze fest, notiert und ordnet sie die Motive. Dann erst lässt sie ihren Händen freien Lauf, lässt sie sich überraschen.
Und für die Kategorie "Naive" ist Ursulas phantastische Welt zu sperrig, zu wenig harmlos:
"Salomé" Via |
Ursulas heimlicher Kindheitstraum ist, eine Grande Dame zu sein ( am liebsten hätte sie immer in Paris gelebt ). Auch das kommt in diesem wie auch vielen anderen Gemälden zum Ausdruck.
Der Einfluss von Kindheitserlebnissen wird besonders deutlich, als Ursula anfängt, Assemblagen & kleinere Objekte mit Fell, Federn, Haaren anzufertigen, denn in der Kindheit hat sie von der Mutter einen Pelzmantel bekommen und vom Vater eine große Zigarrenkiste, und so ihre erste Pelzkiste geschaffen.
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In der überbordend dekorierten Wohnung der Großmutter in Berlin, hinter Portieren, auf Fellen unter Tischen sitzend, alte Bilder mit Stillleben oder Tiermasken, federgeschmückt, an den Wänden wird sie selber zur Maske, spielt sie Rollen. "Meine Berlin - Träume" heißt dieses Bild:
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Obwohl die Künstlerin nicht eindeutig zuzuordnen ist, wird ihre Kunst in den Sechzigern immer populärer, was an den vielen Ausstellungen abzulesen ist, die sie ab Ende der Fünfziger Jahre in Deutschland bzw. Paris hat. Es erscheinen Mappenwerke, sogar einen Kunstkalender bringt die Galerie Brusberg 1967 auf den Markt.
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Auf Empfehlung von Sammlern & Museumsfreunden zieht Ursula 1968 mit ihrem Mann nach Köln, wo sie in vielen Ausstellungen vertreten ist. Damals muss ich ihren Werken auch zum ersten Mal begegnet sein bei der Ausstellung 1969 in den Städtischen Kunstsammlungen Bonn. Ihre Art zu zeichnen hat mich auf jeden Fall zu etlichen Tuschzeichnungen inspiriert, die ich noch besitze.
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Aus dieser Zeit stammt auch das Foto oben mit ihrem Mann.
Ab 1966 entstehen als erste Groß - Objekte die Pandora - Schränke: 1966 "Der große Schrank der Pandora", 1968 "Der kleinere Schrank der Pandora", 1969 "Pandoraschrank mit den vielen Gesichtern", 1972 der "Pandora - Tierschrank":
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Ursulas größtes Werk im räumlichen Sinne ist das "Ursula - Pelz - Haus" von 1970, in dem sie auf diesem Foto zu sehen ist:
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Dieses Kunstwerk kann man im Märkischen Museum Witten betrachten. Das Haus ist eigentlich ein kleiner Pavillon, der von einem ausgestopften Fasan ( Ursulas Lieblingsvogel ) gekrönt, und der innen und außen komplett mit Pelzen bedeckt ist. Auch Fußboden, Tisch, Stuhl, ja das ganze Interieur ist pelzbedeckt. Um den Pavillon herum liegen bunte Steine und bemalte Köpfe von Schaufensterpuppen, auch die mit Federn geschmückt.
Um diese Zeit entstand auch das Objekt "Wolfgangs Hose":
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Weitere Pandoraschränke sind der "Pandoraschrank mit Kopf" von 1973 und der "Der Pandoraschrank der Idole" von 1980 ( im Besitz des Kölner Museum Ludwig, eine Abbildung ist aus rechtlichen Gründen im Netz nicht zu bekommen )
Ursula unternimmt in den Siebziger Jahren viele Reisen & Studienaufenthalte nach St. Petersburg, Asien, Mexiko, den Vereinigten Staaten. Das Bild "Manhattan Transfer" ist allerdings schon 1965 entstanden nach ihrem 1. Aufenthalt in den USA:
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Weitere große Objekte entstehen in den Achtziger Jahren wie "Die Wächter -Familie" oder die "Wächter - Stühle" 1986 oder - meine Lieblinge - "Der Mann - Stuhl" und "Der Frau - Stuhl" von 1990. Gleichzeitig intensiviert sie wieder die Arbeit an Text - Zeichnungen wie am Anfang ihrer künstlerischen Karriere.
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Bemerkenswert ist auch die lebenslange Beziehung zwischen Ursula und ihrem Ehemann: Abends und nachts arbeiten die beiden nebeneinander in einem kleinen Zimmeratelier ihrer Kölner Mietwohnung - die räumliche Einschränkung bedinge die Konzentration, so ihre Ansicht. Dabei behält jeder seine eigene Kunstsprache. Das ist besonders selten & bemerkenswert in einer Zeit, in der die Angst vor Nähe als Individualismus ausgelegt wird und Konkurrenz und Erfolg als das wichtigste im Leben angesehen wird.
Bernard Schultze nennt - enge Freunde dürfen das auch - seine Frau "Spinne". Gemeint ist damit aber eher die griechische Arachne, die so wundersam Versponnenes schuf, dass sie der Göttin Athene ebenbürtig war. Gemeint ist damit auch ihre Art des Malens, durch Stricheln und Tupfen Farbteppiche zu erzeugen, ganz im Gegenteil zur wilden Geste, mit der sie am Anfang eines Werkes die Figuren festlegt. So hat er es im Gespräch beschrieben.
Ursula stirbt am 9. April 1999 in Köln.
Ich wünschte mir sehr, dass Ursula in dieser Stadt & ihren Museen wieder den Platz einnehmen würde, der ihr gebührt, und dass ihr dreiteiliges Gemälde der Ursula - Legende ( mit der Kölner Stadtpatronin, ihrer Namenspatronin, hat sie sich übrigens identifiziert ) von 1963 wieder ausgestellt würde.
Über diese Frauen habe ich schon geschrieben:
Und diese findet ihr bei Barbara:
als ' fan d 'art brut' ....bin begeistert!!!
AntwortenLöschenkomme noch mal wieder... habe zur zeit schwierigkeiten mit meinem auge..
Spannend. Noch nie von dieser Künstlerin oder ihrem Mann gehört. Das Kleinteilige der Bilder fällt sehr auf - ich muss jetzt mal auf die Suche nach Bildern ihres Mannes gehen, inwiefern er ähnlich, völlig anders etc. gemalt hat. LG mila
AntwortenLöscheneine faszinierende malerin! einige ihrer werke erinnern mich an die wiener phantastischen realisten, die ich sehr gerne mag. deine frauen-reihe ist für mich immer eine bereicherung, die meisten kenne ich nicht und informiere mich im anschluss an die lektüre noch weiter über die künstlerin und die zeitgenossen, die du erwähnst.
AntwortenLöschenvielen dank und einen schönen tag!
susi
Liebe Astrid, vielen Dank mal wieder fürs Mitmachen und diesen besonders persönlichen Beitrag über eine Künstlerin die ich tatsächlich überhaupt noch nicht kannte. Mit gefällt auch besonders die Beschreibung, daß trotz aller Pariser Grand-Dame-Eleganz letztlich ein künstlerischer Freak in ihr saß und das mit einer Tierhandtasche zur Schau stellte.
AntwortenLöschenIhre Arbeiten zeigen viele Einflüsse der Zeit und anderer Künstler und sind doch in ihrer Art dann wieder so einzigartig und besonders, daß ich dir Recht gebe, man sollte ihr einen größen Platz einräumen.
Herzlichen Dank noch mal fürs Mitmachen und diese überaus gelungene Biografie!
barbara bee
Oh liebe Astrid, die ist ja hier um die Ecke aufgewachsen... Ich muss leider weg, Ursula muss bis zum Wochenende warten ;-) Aber dann. Lieben Gruß Ghislana
AntwortenLöschenWieder eine Neuentdeckung! Danke!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Andrea
Ich mag diese Vorstellungen sehr
AntwortenLöschenLiebste Grüße zu dir :-)
da hast du aber eine schatzkiste geöffnet! wunderbar deine vorstellung von ursula, die ich überhaupt nicht kannte, aber jetzt sehr zu schätzen weiß! ich bin besonders fasziniert von den bildern aus den 90ern und von ihren assemblagen würde ich gern mehr sehen.
AntwortenLöschendanke liebe astrid!
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenauch ich kannte Ursula noch nicht, fühle mich aber von ihren Arbeiten - vor allem jenen, die im Stil der "Salomé" gemalt sind, sehr angesprochen. Dank dir auch sehr, dass du mich quasi mit Barbaras Aktion "verkuppelt" hast :o)
Herzliche Grüße, Traude
Liebe Astrid, eine große Freude, dieser Post!!! Herzlich grüßt Ghislana
AntwortenLöschenWow, faszinierend! Ich habe con ihr auch noch nie gehört oder bewusst ein Werk gesehen, obwohl in letzter Zeit auch in Wien ab un dzu Austellungen ganz der Frauenkunst gewidmet sind. "Wolfgangs Hose" ist genial und ihr Spätwerk gefällt mir sehr. Das erste der drei Bilder erinnert mich entfernt an Hundertwasser.
AntwortenLöschenDieses Projekt ist wunderbar, große Frauen sind doch so leicht in der Versenkung verschwunden und wer sonst als wir Frauen sollten sie von dort aufheben und feiern, nicht wahr?!
Herzliche Grüße Elisabeth
P.S. Sehen wir uns mal auf einen Kaffee, wenn du mal wieder in Wien bist?
Ich kannte diese Künstlerin (leider) noch nicht, aber die Bilder sind spannend!
AntwortenLöschenMich hat gerade der Absatz über die (Arbeits-)Beziehung zu ihrem Mann sehr be- und gerührt. Wie schön, dass die beiden ineinander einen so passenden, inspirierenden Partner gefunden hatten, mit dem sie auch auf engem Raum ganz sie selbst sein konnten.
Liebe Grüße,
Sabrina