Sonntag, 16. November 2025

Monatsspaziergang November 2025

Es ist schon wieder ein Vierteljahr her, dass ein Post zum Monatsspaziergang die Siedlungspolitik der Stadt Köln in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dokumentiert hat. Vor über einer Woche war das Wetter so herrlich, dass ich Lust hatte, mich auf die andere Rheinseite nach Buchforst zu begeben. Das ist ein Stadtteil, mit dem ich zuletzt Ende der 1970er Jahre zu tun hatte, als ich dort Hausbesuche bei den Familien meiner ersten Schule absolviert habe, in einer Siedlung, die von der Straßenbahnhaltestelle zu sehen ist:

Mein Ziel war ein anderes, nämlich der Blaue Hof zwischen Dortmunder, Kasseler, Waldecker und Hertzstraße, das erste Bauvorhaben der 1913 gegründeten Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Wohnungsbau (GAG) auf dem 1926 erworbenen Gelände "Kalkerfeld",18 Hektar groß, das erst später in "Buchforst" umbenannt worden ist. Das Gebiet war bis dahin vornehmlich mit Buchen bewaldet und ohne Bebauung. Flächenmäßig ist Buchforst der kleinste Stadtteil Kölns im Stadtbezirk Mühlheim. Hier gibt es zwei Luftaufnahmen zu sehen.

Die Siedlung wurde damals geplant für ärmere, kinderreiche Familien, deren Wohnungen dem Bau der Mülheimer Brücke weichen mussten. Der Mietpreis betrug damals 10,50 Goldmark für die ganze Wohnung. Trotz günstiger Bedingungen konnten die Mieter jedoch nur durch Prämien zum Einzug bewegt werden.



Von 1918 bis 1932 war die GAG eine der progressivsten und tatkräftigsten Gesellschaften für den sozialen Wohnungsbau. Bis Anfang der 1930er-Jahre war jede zehnte Wohnung in Köln in gemeinnütziger Bautätigkeit errichtet worden – mehr als in allen anderen Städten Deutschlands.




Die Architekten Wilhelm Riphahn und Caspar Maria Grod, die "GAG-Hausarchitekten", waren gemeinsam für Planung und Bau verantwortlich. Ein von markanten Eckbauten gesäumter Eingang an der Kasseler Straße, im Süden des Geländes ( auf dem Foto rechts zu erahnen ),....



( und hier von der Hof-Innenseite zu sehen. Bei den Eckbauten wurden die Balkone jeweils straßenseitig angebaut. )...



... führte zu einer großen, fast quadratischen, allgemein zugänglichen Rasenfläche im Innenhof. Damals legte man darauf die weiße Wäsche zum Bleichen. Das Bleichen der Wäsche war wichtig, um aus ihr Verfärbungen zu entfernen und Krankheitskeime abzutöten. Die sogenannte Haushaltsbleiche wurde in Deutschland noch bis in die 1970er Jahre durchgeführt und prägte das Bild vieler Siedlungen der Wohnbaugesellschaften.

Alle Wohnungen hatten eine Loggia, den "Lich, Luft un Bäumcher" gehörte zu den Prinzipien dieser zwei Architekten, die sozialgerechtes Bauen mit den Bedürfnissen nach einer individuellen Lebensführung zu verbinden wussten, und die Ideale aus der englischen Gartenstadt-Bewegung übernommen hatten.


Die Häuser hatten alle Flachdächer. Mit dem Aufkommen nationalsozialistischer, deutschtümelnder Vorstellungen brach Anfang der 1930er Jahre ein "Dächerkrieg" aus: Wer ein Flachdach hatte, musste sich als undeutsch beschimpfen lassen, weil es für Internationalität stand. In Buchforst kam es zwischen Riphahn und  seinem Kollegen Otto Müller-Jena zu einer solchen Auseinandersetzung. Jena, der an den Plänen zum Blauen Hof mitwirkte, nutzte eine Abwesenheit Riphahns, um Steildächer in die Planzeichnungen der Zeilenbauten einzuzeichnen. Riphahn stoppte die Ausführung im letzten Moment. Jena schied danach aus der Planung aus und wurde mit einem anderen Bauprojekt betraut.


Alle Wohnungen hatten eigene Toiletten, nur die Drei-Ziummer-Wohnungen bekamen darüber hinaus ein Bad. Sie waren allerdings höchstens 50 m² groß - für damalige Verhältnisse eine übliche Größe, auch für eine komplette Familie. Heute gibt es Vier-Zimmer-Wohnungen mit einer Wohnfläche von knapp 100 m², nachdem bei der Sanierung Wohnungen zusammengelegt worden sind. Nach wie vor gibt es aber auch kleinere Einheiten.


Zugang zur großen Grünfläche hat jedes Haus durch Ausgänge im Kellergeschoss.







Mit den kubischen Bauformen und dem weißen Putz näherten sich Riphahn und Grod den Prinzipien des "Internationalen Stils" an, der sich in dieser Zeit auch in Deutschland durchgesetzt hatte. An der farblichen Gestaltung der Häuser wirkte der konstruktivistische Kölner Maler Heinrich Hoerle mit.



Im Innenhof ist es ein taubenblauer Anstrich, der horizontal die Fassaden gliedert.






Straßenseits wurden ein mattes Korallenrot für die Rahmen der Sprossenfenster und Anthrazit für die Türen verwendet:









Zwischen 2006 und 2010 wurde die Siedlung komplett saniert und an heutige Anforderungen angepasst. Alle Wohngebäude erhielten neue Flachdächer, Wärmedämmung und Heizungen. Seit 2000 ist der Blaue Hof ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalverzeichnis der Stadt Köln 2012, Nr. 8470). Einige Bauten des südlich angrenzenden Wohnblocks wurden nach dem gleichen Baumuster ausgeführt.

Die GAG wurde für die Sanierung des Blauen Hofs und der im benachbarten Köln-Höhenberg gelegenen Germaniasiedlung  ( da muss ich auch noch mal hin! ) mit dem Deutschen Bauherrenpreis 2009/2010 ausgezeichnet.

Obwohl am nördlichen Ende die S-Bahn-Stammstrecke nach Düsseldorf bzw. ins Ruhrgebiet verläuft, fand ich dort eine ruhige, kontemplative Wohnsituation vor. Neugierig wäre ich natürlich, wie so eine Wohnung im Innern gestaltet ist. Damals wurden für die mehr als zweihundert neuen Wohnungen von den Architekten spezielle preisgünstige Möbel entworfen, die optimal auf die Grundrisse abgestimmt waren ( davon ist natürlich nichts mehr vorhanden ).

Dieser Beitrag wird mit dem Blog von Heike/3he fecit verlinkt.

                                                                                                  

1 Kommentar:

  1. So interessant, liebe Astrid! Wir hatten ja kürzlich unseren Stadtentwicklungs-Kurs hier in Nürnberg und da haben wir auch zwei Siedlungen besichtigt. Leider komme ich nicht dazu, sie derzeit blogmäßig zu "verarbeiten"...
    Aber die Sache mit den "deutschen Dächern" und sogar "deutschen Fenstern" ist mir da auch untergekommen.
    Grundsätzlich war der Wohnungsbau der 1920er Jahre sehr sozial und fortschrittlich, das haben wir auch hier zum Glück sehen können. Die Investoren waren die Städte selbst, das merkt man. Davon haben wir heute viel zu wenig.
    Eine sehr beeindruckende Siedlung hast Du besucht. Danke fürs Vorstellen!
    Herzlichst,
    Sieglinde

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