Donnerstag, 13. Januar 2022

Great Women #286: Lotte Berk

Eine Kölnerin mal wieder, eine, deren Existenz auch für mich eine Überraschung gewesen ist, die heute als "Queen of Fitness" gilt und sich mit sportlichen Methoden um die Befreiung des weiblichen Geschlechts bemüht hat. Umso mehr Grund für mich, Nachforschungen anzustellen. Lotte Berk wurde vor 109 Jahren in der Domstadt geboren, kam aber erst im Swinging London zu internationaler Berühmtheit.
Alte Synagoge in der Kölner Glockengasse


"Be honest, be selfish, be yourself"
.

Geboren wird Lotte Berk am 13. Januar 1913 - in manchen Quellen ist es der 17. Januar - also in Köln, damals unter dem Namen Lieselotte Heymansohn. Ihre Mutter Regina Müller ist Kölnerin, ihr Vater Nicolai Heymansohn hingegen nahe bei Riga auf einem Bauerhof geboren und russischer Staatsbürger. Beide Eltern sind Juden. Der Vater hat in Moskau als Jugendlicher eine Ausbildung als Kantor aufgenommen und gleichzeitig als Schaufensterdekorateur für einen Schneider gearbeitet, bei dem er schließlich das für dieses Metier Notwendige gelernt hat. Nach einigen antisemitischen Progromen in Russland ist er in die Niederlande geflohen, wo er wiederum bei einem Schneider eine Anstellung gefunden hat. Auf einer Geschäftsreise nach Köln hat er dann seine spätere Frau kennengelernt.

Die stammt aus einer wohlhabenden Kölner Familie, die Kaltblutpferde für diverse Transportgeschäfte in der Stadt besitzt & verleiht. Nach ihrer Heirat betreibt Nicolai erst ein, dann nach großen geschäftlichen Erfolgen weitere Herrenmodegeschäfte unter dem Geburtsnamen seiner Frau, darunter eines in exponierter Lage in der Schildergasse 81, das unter den Nazis der Arisierung anheim fallen wird. Auch wird er Kantor der Synagogengemeinde in der Glockengasse. Lotte wird ihre Religion später aufgeben und "Ausheiraten".

Die Heymansohns haben außer Lotte noch eine ältere Tochter, Hilde, die anderthalb Jahre älter ist und mit ihren blonden Haaren wohl der Liebling der Mutter. Die Familie lebt in einer Wohnung über dem Laden des Vaters, später in einer stattlicheren mit Personal über dem großen Geschäft in der Schildergasse. Was die Kindheit Lottes anbelangt, wird sie später selbst erzählen, dass sie und ihre Schwester wie Püppchen in Capes - im Sommer in blaue, im Winter in weiße Pelzcapes, immer aus Vaters Werkstatt -gekleidet in seinem sechssitzigen Mercedes in Köln herumchauffiert worden sind. Das lässt auf Wohlstand & Luxus und entsprechende materielle Verwöhnung schließen, und Lottes späteren Hang zu Äußerlichkeiten und ihren Snobismus erklären. Nach Eigenaussage hat sie letzteren aber auch als Kind schon an den Tag gelegt. 

Als sie acht Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter während eines Nachmittagstees an einem Schlaganfall, und es wird an vielen Stellen betont, dass da der Keim für Lottes legendäre emotionale Kontrolle und ihre körperliche Willenskraft gelegt worden ist. Zwei Jahre später will Nicolai Heymansohn wieder heiraten, was Lotte mit ziemlicher Wut erfüllt: "My anger burned inside me, a volcanic eruption waiting to ex-plode." Sie macht derart Druck, dass der Vater von seinem Vorhaben Abstand nimmt. Noch zwei Jahre später lässt er sich dann nicht mehr umstimmen und heiratet Martha.

Der Vater hat genaue Vorstellungen, was aus seiner Tochter werden soll: Pianistin. Deshalb erhält sie elf Jahre entsprechenden Unterricht. Lotte mag Musik, doch hat sie eine ebenso präzise, andere Vorstellung von ihrem späteren Beruf: Tänzerin will sie werden. Unmöglich in jenen Tagen für ein bürgerliches Mädchen: "Eine Tänzerin zu sein, galt in jenen Tagen so viel wie eine Hure sein." Diesmal setzt sich Lotte nach ihrem Schulabschluss durch, zur Enttäuschung des Vaters.

Ende der 1920er Jahre hat Chinita Ullman,  die ab ihrem 15. Lebensjahr in Dresden bei Mary Wigman studiert hat, in Köln eine eigene Tanz- und Gymnastikschule am Hohenstaufenring 30 gegründet. Mit 18 Jahren beginnt Lotte bei ihr ihre Tanzausbildung, die sie 1930 mit Diplom abschließt. Dort trifft sie beim ersten Besuch des Studios auf den vier Jahre älteren Ernest Berk, der sich sofort in sie verliebt.

Zu Hause hält es Lotte nicht mehr aus, ist aber glücklich mit ihrem Bohème - Leben und ihrer Tanzerei. Sie hasst allerdings klassisches Ballet, sondern bevorzugt den modernen Ausdruckstanz, der ihr ermöglicht, sich frei zu fühlen. Sie mag es, dabei bewundert zu werden, hat sie doch sehr viel Liebe & Zuwendung nötig. 

Irgendwann lässt sie sich auch von der Kraft der Liebe Ernests überwältigen und sie planen zu heiraten, was dem Vater gar nicht gefällt, denn der findet, dass der Habenichts seiner Luxus gewöhnten Tochter keine Zukunft bieten kann. Wieder einmal hängt der Haussegen schief, und wer Lottes Charakter kennt, ist nicht überrascht, dass sie einen weiteren Machtkampf anzettelt: Sie überredet Ernest, mit ihr davonzulaufen. Der Vater bettelt sogar über einen Radiosender um ihre Heimkehr. Später wird Lotte sich fragen, warum sie ihren Vater, dessen Liebling sie ist, immer so verletzt hat. Am 13. April 1933 heiraten sie und Ernest schließlich mit Vaters Segen. Im Jahr darauf bekommt sie ihre Tochter Esther.

Vorher ist sie schon unter grossem Erfolg mit modernen Tanzformen bis hin zu asiatischen Stilfiguren aufgetreten, auch mit Ernest als Partner. Der hat als Ballettmeister im Oktober 1931 im Kölner "Kolibri", dem politisch-literarischen Kabarett im Alten Posthof, die tänzerische Leitung übernommen und natürlich gehören beide auch dort zum Programm. Sie tanzt mit namhaften Ensembles, auch 1932 als Solistin am Nationaltheater Mannheim und für berühmte Choreografen und Dirigenten wie Carl Ebert, Bruno Walter und Fritz Busch.

Bei den Festspielen in Salzburg 1934 tritt Lotte ebenfalls als Solistin auf. Endlich Ruhm! Den wachsenden Antisemitismus in ihrem Alltagsleben nimmt sie aber auch wahr, auch, dass "Jude" ein schmutziges Wort geworden ist. "Fear was like a silent fog that chilled the air."

Lotte & Ernest Berk (1930er)

Einen geplanten Auftritt verbieten die Nazis zwei Stunden vor Beginn der Show, sonst werde gestürmt. Ernest tritt allein ins Rampenlicht, und der Direktor entschuldigt Lotte, sie sei krank. In dem Moment tritt die im schwarzen Abendkleid in den Publikumsraum. Trotz der Uniformen im Saal setzt sich der Ruf durch: "Lotte tanz, Lotte tanz!" Sie muss hinauf auf die Bühne, erhält ein Riesen-Blumenbukett und sagt: "Danke, danke dass ihr keine Nazis seid." Die SA-Leute stürmen die Bühne und schreien nur: "Raus, raus!" Am nächsten Morgen wird ihr Pass und ihr Geld konfisziert.

Ernest, Lotte & Peter Ury, ihr Pianist
Sie müssen ihn jedoch zurückgeben, denn Lotte hat einen britischen Pass. Ernest hat nämlich durch seinen britischen Großvater einen solchen, und Lotte durch die Heirat mit ihm. Für die dritte Generation gilt dieses Recht auf eine britische Staatsbürgerschaft aber nicht mehr, also für das Baby Esther. Zum Glück der jungen Familie stellt der Angestellte im Konsulat, warum auch immer, einen solchen Ausweis für Esther aus.

Lust auf England hat die Tänzerin gar nicht, sie ginge lieber nach Israel. Doch Freunde machen ihr klar, dass das töricht sei. Immer wieder unternimmt das Paar Reisen auf die Insel, um seine beruflichen Chancen zu eruieren und Geld zu transferieren. Ein waghalsiges Unternehmen!

Einmal sitzt Lotte schon im Zug, im Koffer zwischen Noten, Handtüchern und anderen Dingen Geldscheine. Auf dem Bahnsteig patrouilliert u.a. die Gestapo, die Lokomotive steigert hörbar ihre Leistung. Da öffnen Uniformierte auch Lottes Abteil und komplimentieren zwei alte Damen und sie nach draußen. Lotte muss sich bei einer Nazisse bis auf die Unterwäsche ausziehen, die auf ihr Argument, sie sei Britin, nicht eingeht. Als die nichts versteckt am Körper findet, fordert sie Lotte auf, sich anzuziehen. Die vernimmt, dass der Zugmotor weiter Fahrt aufnimmt, rast mit noch offener Bluse auf die Plattform und erreicht, atemlos, die offene Zugtür. Im Abteil liegt ihr Koffer unberührt im Gepäcknetz. Ein anderes Mal schmuggelt ihr Mann in lauter ausgehöhltem Brot das Geld nach England.

Die Situation in Deutschland wird immer unerträglicher. Lotte darf in ihrer gemeinsamen Tanzschule nicht mehr unterrichten, und Ernest wird verboten, Abschlussdiplome für seine Schüler auszustellen. Somit kann die Schule nicht mehr sinnvoll betrieben werden. 1938 verlassen sie endgültig Deutschland, zusammen mit dem Kindermädchen Mimi, das ebenfalls froh ist, den Nazis zu entkommen. Ein Glücksfall, denn die wird in England erst einmal nicht nur auf Esther, sondern auf alle Berks aufpassen.

Man lebt zunächst in einem Zimmer in einem Haus voller Flüchtlinge. Lotte ergattert einen Job als Aktmodell in der Chelsea Art School, was ihr nicht behagt. Also sucht sie Marie Rambert auf, die polnischgebürtige Gründerin der "Rambert Dance Company". Doch das Interesse an modernem Tanz ist in England sehr unterentwickelt, und es ist mühselig, Arbeit zu finden, am ehesten gelingt das noch in der kommerziellen Welt. Später tourt Lotte mit der E.N.S.A.

Sie reist auch noch einmal nach Deutschland, um ihren Vater und seine zweite Frau zum Exil in England zu überreden - ihre Schwester Hilde befindet sich schon dort. Doch der Vater zieht die Niederlande vor. Von dort wird er später im September 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Als Lotte das  erfährt, rennt sie "howling, shouting, screaming" durch Londons Straßen, bis sie von einer Frau im 1. Stock eines Hauses angesprochen wird. Deren Reaktion: "Come on up here, love, let me make you a cup of tea." - "The kindness of that stranger meant so much to me at that moment."

Ernest arbeitet nach einer ernsthaften Sinnkrise zeitweilig in Birmingham für die Regierung beim Entwurf von Brücken und Panzern - er hatte auch dereinst Architektur studiert - um die Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Schließlich ist der Lebensmittelpunkt wieder London, genauer in Shepherd's Bush. Für die kleine Tochter ist das umtriebige Leben ihrer Eltern nicht gerade einfach: "Ich glaube nicht, dass ich schlecht behandelt wurde, aber ich wurde vernachlässigt. Ich wuchs mit dem Gefühl auf, verloren und verlassen zu sein und war deshalb ein passives Kind." ( Quelle hier ) Einmal, als Achtjährige, wird sie in eine Familie "abgeschoben", deren Tochter sie mobbt. Lotte hat zu dieser Zeit ein Liebesverhältnis mit dem indischen Dichter in ihrem Haus, Vallathol Narayana Menon, von dem sie auch schwanger wird, und fühlt sich durch Esthers Anwesenheit eingeschränkt.

Ernest ist da weniger ein Problem: Die Berks führen von Anfang an eine offene Ehe, sieben Mal verlässt sie ihn, der sagt: "Ich warte auf dich, ich bin immer da." Lottes Persönlichkeit stellt irgendwie alles in den Schatten. Wenn sie einen Raum betritt, ist jeder fasziniert. Von winziger Statur mit Kleidergröße XS und ausdrucksstarkem Look mit einem dunkeln Bob, rubinroten Lippen und schwarzen Kajalaugen ist sie irgendwie dennoch imposant. Ihr deutscher Akzent ist nicht zu verleugnen. Deshalb spricht sie leise, fast schnurrend. Sie ist besessen vom Flirten und Sex. Lotte ist bisexuell und wird ihr ganzes Leben lang eine Reihe von Liebschaften mit beiden Geschlechtern haben, ohne Rücksicht auf andere. 

Beruflich treten die Beiden immer noch als Paar auf, vor allem mit indischen und chassidischen Tänzen, und gründen eine Tanzschule. Doch langsam wird Lotte zu alt für diesen Beruf und leidet zunehmend unter Rückenschmerzen. Obwohl in der Literatur ein Autounfall als Katalysator für die Entwicklung ihres Programms zur Rehabilitation ihrer Verletzungen genannt wird, erholt sich Lotte in Wirklichkeit vom Ende einer intensiven Liebesbeziehung sowie einer Morphinabhängigkeit. Ein Osteopath zeigt ihr, wie man das Becken neigt, indem sie ihre Bauchmuskeln anspannt. Lotte nutzt diese Kenntnis parallel zu den Ballettübungen, die sie bereits erfolgreich unterrichtet. 

Mit Mitte 40 zieht Lotte mit einem Maler zusammen. Ernest ist einverstanden, dass sie zwei Jahre bei diesem wohnen bleibt und dann zurückkehrt. Dazu kommt es nicht: Nach 30 Jahren ist ihre Beziehung am Ende, Lotte trennt sich. Ihre zweite, anschließende Ehe hält drei Wochen. Ernest geht wieder nach Deutschland, wird 1985 an die Hochschule der Künste in Berlin berufen, um das neue Fach Musical zu lehren. 

1960er Jahre


Im Alter von 46 Jahren eröffnet Lotte dann ihr Gymnastikstudio "The Manchester Studio for Exercise" in einem Keller der Manchester Street ausschließlich für Frauen, finanziell & ideell unterstützt von Freunden. Was Lotte dort anbietet, ist kein Krafttraining und auch kein Aerobic. Es sind präzise Positionen, Übungen am Boden und an der Ballettstange ( "barre" ), die jeden Muskel einzeln stärken, formen, straffen. Weil diese Übungen langweilig klingen, werden sie durch Lottes unkonventionelle Herangehensweise mit Namen wie "Der pinkelnde Hund", "Die französische Toilette" und "Die Banane" aufgewertet. Und wenn jemand bei einem Plié schwächelt, soll Lotte von ihrer Reitgerte Gebrauch gemacht haben bzw. sie nimmt kein Blatt vor den Mund und fragt nach dem Sexualleben ihrer Schülerin: "If you can’t tuck, you can’t fuck.

Mit Tochter Esther Fairfax
(ca. 1965)
So wie Vidal Sassoon die neuen Frisuren und Mary Quant die Kleidung im Swinging London bestimmen, so formt Lotte Berk die Figuren & das Körperbewusstsein der Frauen und zielt dabei auch darauf ab, sexuelles Selbstbewusstsein zu vermitteln, so radikal, wie es für die damalige Zeit typisch ist. Lotte Berk ist die ideale Botschafterin, um die Frauen in den 60er-Jahren dazu zu ermutigen, ihre Lust auszuleben, sich von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien und sich als starke, sinnliche Wesen wahrzunehmen. Dass es damals an der auf diesem Gebiet auch nötigen Sensibilität & der Beachtuung von Grenzen fehlt, zeigt Lottres Umgehen mit der eigenen Tochter, als diese mit fünfzehn von einem ihrer Produzenten vergewaltigt wird.

"Barre", DAS Workout der 60er-Jahre, lockt Menschen weltweit in die Sportstudios – vor allem Frauen, darunter die irische Schriftstellerin Edna O’Brien, das Bondgirl Britt Ekland, Joan Collins, Siân Phillips oder Barbra Streisand (die allerdings sofort wieder gegangen sein soll ). Doch die Geschichte hat kein Happy End: Geblendet von ihrer ersten wirklichen Gelegenheit, Geld zu verdienen, verkauft Lotte die Rechte an ihrem Namen an eine Geschäftsfrau aus dem Mittleren Westen namens Lydia Bach, die zunächst bei Lotte trainiert und das Potential der Methode erkennt. Lydia suggeriert ihr, die zu diesem Zeitpunkt ja bereits ziemlich berühmt ist und über die in wichtigen Zeitschriften wie Vogue und Queen berichtet wird, ihren Namen in den USA noch bekannter zu machen, und Lotte gibt jegliche Möglichkeit ab, mit einem weltweiten Imperium Geld zu verdienen.

Ab da kann Lydia nämlich die Methode so gestalten, wie sie es will, verkauft ihre eigenen Vorstellungen in ihrem ersten Studio ab 1971 in New York aber unter dem Namen Lotte-Berk-Methode, die sich erheblich von dem unterscheidet, was Lotte in ihrem Londoner Studio tatsächlich lehrt. Die Übungsmethode, gekennzeichnet durch kleine, Pressbewegungen & kontrollierte Posen, die den Körper straffen, dazu elektronische Musik, erobert die Welt im Sturm. Was aktuell unterrichtet wird, hat mit der Lotte-Berk-Methode allerdings nicht mehr viel zu tun. 

Eine weitere wichtige Frau in dieser Zeit ist Callan Pinckney, die ebenfalls bei Lotte trainiert und dann im ersten Lotte-Berk-Method-Studio in New York gearbeitet hat. Die ist nicht mit den Veränderungen der  ursprünglichen Methode einverstanden und entwickelt das, was wir als Callanetics kennen. Aufgrund von Markenproblemen darf sie nicht sagen, was sie aus dem Originalwerk von Lotte Berk gelernt hat. 

Wenn Nachahmung also die aufrichtigste Form der Schmeichelei ist, muss Lotte Berk sich sehr geschmeichelt gefühlt haben, denn sie ignoriert, was da vor sich geht und konzentriert sich darauf, Lehrerinnen auszubilden, die ihre Arbeit weiterführen. Bis zu ihrem 80. Lebensjahr beaufsichtigt sie den Unterricht, immer makellos gekleidet in Jean Muir oder Armani, mit roten Lippen und ihrem unnachahmlichen Lachen. Sie ist inzwischen eine Ikone.

In den 1980er Jahren ändert sich ohnehin der Blickwinkel: Fitness-Unternehmen setzen nun auf den Verkauf sichtbarer Muskeln und körperlicher Perfektion. Jane Fonda bringt Aerobic unter die Massen und Co-ed-Fitnessstudios werden immer beliebter. Die Amerikanerinnen beginnen, ihren Körper mehr wie eine Maschine zu betrachten. Kontrollierte körperliche Bewegungen zur sexuellen Befreiung sind einst das Motto gewesen. Bis heute spricht kaum jemand mehr davon.  

Am 4. November 2003 stirbt Lotte Berk in relativer Anonymität in einem Altersheim in Froxfield, Wiltshire in der Nähe ihrer Tochter nach längerer Demenz. Diese, damals 69 Jahre alt, versucht anschließend das Vermächtnis ihrer Mutter am Leben zu erhalten und unterrichtet ihre Methode in einem Studio  in Hungerford, Berkshire, bis weit in ihre Achtziger hinein. Die Rechte am Namen ihrer Mutter zurückzubekommen - damit hat sie noch ständig zu kämpfen.

Lotte Berk hat "Barre" durch ihre eigene charismatische Begeisterung zu dem gemacht, was es war: Sie hat ( nicht nur ) Frauen gezeigt, wie sie ihre Rückenmuskulatur bewegen können und ihre Körpermitte stabilisieren. In ihrem Ansatz hat sie der zweiten Welle des Feminismus in den 1960er und 1970er Jahren nahegestanden und ihre Botschaft der sexuellen Befreiung ist genau das gewesen, was Frauen damals brauchten. Meine Erinnerung an diese bewegten Zeiten hat durch meine Recherchen für diesen Post eine ganz neue Facette dazu gewonnen.



            

4 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,

    mal wieder eine mir unbekannte Frau, die du vorstellst. Allein Jane Fonda und Aerobic sind mir in diesem Beitrag bekannt.

    Eine interessante, aber auch eine innerlich zerrissen anmutende Frau, die du vorstellst. Verwundert nicht, bei dem, was sie alles durchmachen musste. Die Beziehung zu ihrer Tochter, traurig, dass nach Lotte Berks Erfahrungen sie kein gutes Verhältnis aufbauen konnte. Vielleicht wollte sie zu sehr bewundert und geliebt werden, da blieb dafür dann keine Zeit.

    Viele Grüße
    Claudia

    AntwortenLöschen
  2. Mir ist sie auch nicht bekannt gewesen. Aber sie scheint ja wirklich einiges revolutioniert zu haben in Sachen Körperlichkeit für Frauen und das mit Geburts-Jahrgang 1913! Ihr Leben allerdings klingt anstrengend, auch in seiner Selbstbestimmtheit.
    Da hat Jane Fonda praktisch in der Nachfolge es dann schon viel einfacher und glamouröser gehabt.
    Herzlichst, Sieglinde

    AntwortenLöschen
  3. Immerhin lebt Lotte Berks Methode noch. Eine starke selbstbewusste Frau, die auch in schweren Zeiten innovativ ihren Weg ging. Schade, dass ihre Tochter zu wenig zu ihrem Recht kam.
    Liebe Grüße
    Andrea

    AntwortenLöschen
  4. eine interessante Frau
    und ein ebensolches Thema
    das mir aber absolut fremd ist
    sie hatte wohl einen vielschichtigen Charakter
    und hat ihr Leben gelebt wie sie es wollte
    ob sie dabei glücklich war ?
    Davon wird nicht berichtet
    danke für deine Mühe

    Rosi

    AntwortenLöschen

Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass dieser und die personenbezogenen Daten, die mit ihm verbunden sind (z.B. User- oder Klarname, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.