Heute vor fünf Jahren, am 17. Juni 2012, wurde der saudische Blogger Raif Badawi verhaftet und eingesperrt und gegen ihn ein Verfahren wegen Apostasie eingeleitet. Aber erst neun Monate später wurde er zum Ungläubigen erklärt und erst nach einem Jahr und einem Monat zu sieben Jahren Haft und viermal 150 Peitschenhieben verurteilt.
Da hatte Amnesty International schon über ein halbes Jahr auf ihn als politischen Gefangenen ( "prisoner of conscience" ) aufmerksam gemacht, der verurteilt wurde, weil er von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hatte. Immerhin hatte der Menschenrechtsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Markus Löning, schon zwei Tage nach Bekanntwerden des Urteils jenes als "nicht nur unverhältnismäßig, sondern unmenschlich" kritisiert.
Knapp ein halbes Jahr nach dem ersten Urteil von 2013 beschäftigte sich ein saudisches Berufungsgericht wieder damit und verwies den Fall an ein Allgemeines Gericht. Dieses warf Badawi vor, er habe Muslime, Christen, Juden und Atheisten als gleichwertig bezeichnet, was gegen ein 2014 neu geschaffenes und in Kraft getretenes Gesetz verstieß.
Dieses Gesetz gab dem saudischen Staat höchst willkürliche Mittel in die Hand. Mit ihm verfügt er über ein juristisches Regelwerk, "das nahezu jeden von der Staatsideologie abweichenden Gedanken als Terrorismus kriminalisiert", so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Jede der staatlichen Ordnung widersprechende Äußerung konnte jetzt als "Terrorismus" diffamiert werden.
Dieses Gesetz gab dem saudischen Staat höchst willkürliche Mittel in die Hand. Mit ihm verfügt er über ein juristisches Regelwerk, "das nahezu jeden von der Staatsideologie abweichenden Gedanken als Terrorismus kriminalisiert", so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Jede der staatlichen Ordnung widersprechende Äußerung konnte jetzt als "Terrorismus" diffamiert werden.
Fast zwei Jahre nach der Inhaftierung, am 7. Mai 2014, wurde dann das zweite Urteil verkündet: Nun wurde Raif Badawi wegen "Beleidigung des Islam" und der "Gründung einer liberalen Webseite" zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben sowie einer Geldstrafe von etwa 194.000 € verurteilt. Außerdem wurde ein zehnjähriges Reiseverbot und ein zehnjähriges Medienverbot erteilt.
Ali H. Alyami, der in Washington das "Center for Democracy & Human Rights in Saudi Arabia" leitet, bezeichnete das Urteil als "extrem hart". Badawi hat sich nach westlichen Maßstäben ja keines Verbrechens schuldig gemacht. Er habe nichts anderes getan, als im frei zugänglichen Netz ein Forum zu starten - "für eine jüngere Generation saudischer Männer und Frauen, die sich frei ausdrücken und der Übermacht der Kleriker und Religiösen etwas entgegensetzen wollen".
Ali H. Alyami, der in Washington das "Center for Democracy & Human Rights in Saudi Arabia" leitet, bezeichnete das Urteil als "extrem hart". Badawi hat sich nach westlichen Maßstäben ja keines Verbrechens schuldig gemacht. Er habe nichts anderes getan, als im frei zugänglichen Netz ein Forum zu starten - "für eine jüngere Generation saudischer Männer und Frauen, die sich frei ausdrücken und der Übermacht der Kleriker und Religiösen etwas entgegensetzen wollen".
Schon im November des Jahres 2014 ernannte die Schriftstellerorganisation PEN-Zentrum Deutschland Badawi zum Ehrenmitglied.
Dann erfolgte am 9. Januar 2015 vor der Moschee in der Hafenstadt Dschidda die erste Auspeitschung des Bloggers mit 50 Stockhieben. Ein Handydokument davon verbreitete sich daraufhin rund um den Globus und löste eine erste Empörungswelle im Netz aus.
Doch erst die Teilnahme von Regierungsvertretern Saudi-Arabiens an der Pariser Demonstration für Meinungsfreiheit nach dem Terroranschlag auf Charlie Hebdo - zwei Tage nach der Auspeitschung Badawis - katapultierte seinen Fall plötzlich in das Blickfeld einer breiten Öffentlichkeit hier im Westen.
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Doch auch zweieinhalb Jahre später ist das saudische Königshaus, die Regierung & die Justiz kein Jota abgewichen von ihrem Standpunkt, geschweige von dem harten Urteil gegen Raif Badawi. So viel Hartherzigkeit und Ignoranz gegenüber weltweiter Kritik und Protests habe ich im Laufe meines Lebens bei keiner politischen Aktion erlebt, bei der es um die Befreiung von anderen "prisoners of conscience" ging. Meine Einstellung zum Islam, den ich bis dahin für eine barmherzige Religion gehalten hatte, und den Herrschenden, aber auch dem Volk in jenen muslimischen Ländern hat sich über diesen Fall massiv geändert, aber mein Blick ist auch gerichtet worden auf die unsäglichen, üblen Verflechtungen zwischen den Mächten des Ostens und des Westens, und ich habe mein Interesse und mein Wissen über diesen Teil unserer Erde erweitert.
Geschlagen geben möchte ich mich nicht. Dazu schmerzt mich der Gedanke an den jungen Mann, der so viel ertragen muss, und an seine Frau und seine Kinder, die so unmenschlich mitbestraft worden sind...
Geschlagen geben möchte ich mich nicht. Dazu schmerzt mich der Gedanke an den jungen Mann, der so viel ertragen muss, und an seine Frau und seine Kinder, die so unmenschlich mitbestraft worden sind...
Neugierig bin ich, was der Fall Raif Badawi mit euch, liebe Leserinnen & Leser, gemacht hat...
Das Einzige, was alle, die guten Willens sind, für Raif Badawi tun können, ist ihn nicht zu vergessen. Die weltweiten Aktionen sind hier zu verfolgen.
Das Einzige, was alle, die guten Willens sind, für Raif Badawi tun können, ist ihn nicht zu vergessen. Die weltweiten Aktionen sind hier zu verfolgen.
Eigentlich sollte jede Religion barmherzig sein! Die Kirchen an sich...
AntwortenLöschenDer Mann und seine Familie, hat sich mir, vielleicht auch durch dich, in meine Gedanken gebrannt und ich denke oft an diese unsägliche Situation. Ich kann mir das Leben unter diesen Bedingungen einfach nicht vorstellen und die "Dämlichkeit" und Willkür der Gerichte, ist mir ein Rätsel.
Bitte berichte weiter...
Lieben Gruß
Andrea
Es ist so gut, dass durch dich und für deine vielen Leserinnen, ob kommentierend und agierend oder nicht, ein Vergessen oder Verdrängen gar nicht möglich ist. Der Freitagabendstachel in unserm bequemen Leben 💛. Gestern eröffnete in Berlin eine liberale Moschee, eine Muslimin hielt die Eröffnungspredigt. Hoffentlich einen progressiven Diskurs fördernd und nicht wieder neuen Hass schürend. Aber letzteres darf uns nicht bremsen. Lieben Gruß Ghislana
AntwortenLöschenIch habe gestern im Radio ein Interview mit Seyran Ateş zur Moscheeeröffnung gehört. Und auch Elham Manea, die jemenitische Unterstützerin Raifs, scheint das Projekt zu unterstützen, und es gibt dazu einen kleinen Film bei Twitter. Andererseits habe ich dann auch wieder die Aussagen der Organisatoren der heutigen Demo in Köln verfolgt und Lamya Kadoor zu Seyran Ateş - mir gehen diese Animositäten und dieses Ringen, wer den richtigen Glauben hat, gegen den Strich. Da bin ich dann doch froh, dass bei mir das Bedürfnis nach einem Glauben kaum ausgeprägt ist.
LöschenGespannt, wie es weitergeht, bin ich trotzdem...
GLG
Mir hat der Fall einmal mehr gezeigt, dass Religion an sich etwas Feines sein mag, wenn sie sich auf Spirituelles beschränkt, dass aber ihr politisches Handeln oft wahrlich unheilige Züge annimmt. Kann man ja auch in den USA betrachten, wo sich Ärzte mit Verweis auf ihren Glauben weigern können, Menschen zu behandeln.
AntwortenLöschenUmso ärgerlicher finde ich es, dass auch unsere Verfassung deutliche christliche Selbstverpflichtung beinhaltet, die erst kürzlich auch in einem Podcast des WDR zum Grundgesetz nochmal gelobt wurde. Dass meine ihre christliche Ausrichtung lobende Regierung auch noch gute Geschäfte mit Saudi-Arabien macht, ist dann einfach nur blanker Hohn...
Liebe Grüße,
Sabrina
Raif Badawi steht für mich auch für die vielen Menschen, die inhaftiert sind, weil sie Menschenrechte für sich - und andere - beanspruchten. Jeder Fall ist einfach tragisch und dürfte gar nicht vorkommen. Durch Raif Badawi und durch Dein wöchentliches Gedenken an ihn und seine Familie, wird mir - nicht nur - freitäglich klar, was wir für ein Privileg haben, bzw. welche Selbstverständlichkeit eben nicht selbstverständlich ist für viele Menschen auf der Welt.
AntwortenLöschenWir dürfen und müssen diese Menschenrechte (Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Gleichheit von Mann und Frau, Rechte für Kinder usw. )einfordern auch im Umgang mit anderen Kulturen. Denn diese sind universell und haben nichts mit Religionen oder kulturellen Ausprägungen zu tun.
Wo sie nicht eingehalten werden, findet Unterdrückung statt. Ich sage oft, der Gradmesser für einen Staat ist sein Umgang mit Frauen. Daran kann man sehen, was los ist.
Deshalb finde ich es besonders wichtig, dass wir Frauen uns zu Wort melden. Im Blog, im Kommentar, im Leserbrief, bei Demos...
Danke, dass Du dies hier immer engagiert tust und uns damit sozusagen auch eine kleine Bühne für unsere Stimme und eine Art Community gibst.
Ich lese sehr bewusst auch immer alle Kommentare hier mit und freue mich darüber ein Teil davon zu sein.
Herzlichst grüßt Dich und die anderen Kommentierenden
Sieglinde
Ich zweifel seit längerem an den Menschenrechten- was wird davon überhaupt noch umgesetzt und gelten die Menschenrechte in jedem Land anders und- was sind die Politiker doch feige um sich für Menschen einzusetzen; nur Geldgier und Hassparolen die von den Religionen so nicht vorgesehen sind, denn diese haben alle eine Friedensmission, schlimm ist was die Menschen daraus machen und das macht mich wütend,- und immer wieder lese ich hier deine respektvolle und mühselige Arbeit und das Erinnern an Raif Badawi, den ich durch dich <kennengelernt< habe, und den wir gemeinsam moralisch unterstützen.
AntwortenLöschenDas lässt meine Wut ein bisschen schwächer werden.
Gruß zu dir
heiDE
Durch Deine Blogbeiträge bin ich erst so richtig aufmerksam auf ihn geworden.... wenn man darüber nachdenkt, kann man es nicht verstehen. So etwas dürfte es nicht geben!
AntwortenLöschenIch finde es gut, dass Du immer wieder darüber schreibst!
Lieben Gruß
Gisi
"...wenn man darüber nachdenkt, kann man es nicht verstehen. So etwas dürfte es nicht geben."
AntwortenLöschenSo ist es, was brauchts der Worte mehr, da kann ich mich Gisi nur anschließen!
LG Gerda :)
Was mich immer wieder empört, ist die Tatsache, dass es keinerlei Hemmungen gibt, mit solchen Staaten Geschäfte zu machen, Waffen zu liefern und politisch zu verhandeln. "Der Westen" macht sich damit die Finger genauso schmutzig und trägt die Schuld mit.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Andrea
Danke für dein unermüdliches Engagement. Momentan fühle ich mich an vielen Fronten unsicher und hilflos, kann irgendwie keinen hilfreichen Gedanken fassen. So auch hier. Wer weiß, was sich im Hintergrund abspielt, welche Szenarien dazu führen, dass die westlichen Länder nicht klar Stellung beziehen... auch hier sind politische Ränkespiele und Geschäftemacherei wieder wichtiger als der Mensch.
AntwortenLöschenLieben Gruß
Gabi
Der arme Mann!
AntwortenLöschenDiesen Wahabiten in Saudi Arabien misstraue ich zutiefst. Dein Engagement ist großartig!
LG Sabienes