Freitag, 7. April 2017

Von Raif Badawi, Constantin Schreiber, Kacem El Ghazzali & der Aufklärung


Es ist schon wieder zwei Wochen her, dass ich neue Informationen über den saudischen Blogger hier verbreiten konnte. Aber ein "update" gibt es auch nicht.

Berichtet habe ich allerdings noch nicht über die Verleihung des "Monismanien - Preises" am 25. Februar im schwedischen Uppsala, den stellvertretend für Raif Badawi Kacem El Ghazzali, als Ko - Direktor der Badawi - Stiftung, und Evelyne Abitbol, ​​Exekutivdirektorin und Mitbegründerin der Stiftung, entgegengenommen haben. Über den Hintergrund des Preises habe ich hier u.a. geschrieben.

Kacem El Ghazzali (links), Evelyne Abitbol (rechts)
bei der Preisverleihung
Source
Am Nachmittag hatte Kacem El Ghazzali einen beeindruckenden Vortrag über Saudi- Arabien gehalten und Details über Raifs Gefangenschaft berichtet. 


Kacem El Ghazzali ist für mich überhaupt eine bemerkenswerte Person. Und sein Standpunkt, den er inzwischen auf diversen Medien immer wieder kundtut, kam mir in den Sinn, als ich an verschiedenen Stellen die Kontroversen über Constantin Schreibers neues Buch "Inside Islam" gelesen habe, das u.a. über den globalen Allmachtsanspruch der Moscheen berichtet. Mein Eindruck beim Lesen der unterschiedlichen Statements ist nämlich immer wieder, dass eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islam - so wie das mit anderen Religionen der Fall ist -, bei uns nicht möglich ist, ohne dass reflexartig Islamophobie unterstellt wird. In meinen Augen verraten wir da unsere Werte, ganz so, wie es Kacem in seinem Blog beschreibt:
"Persönlich begegnete ich Europa im Frühjahr 2011, als ich, politischer Flüchtling, in Genf ankam. Die Entdeckung, dass das Europa der Aufklärung nicht mehr existierte, das Europa der Bücher, die mich bewegt hatten, für die Freiheit zu kämpfen und zu schreiben, war ein großer Schock. Zwar besteht es geographisch fort, wir können es sehen, können es besuchen. Aber wir können nicht mehr bedingungslos in seine Ideen eintauchen oder die Werte und humanistischen Prinzipien erleben, auf denen es gegründet wurde.
Es ist jetzt ein anderes Europa. Eines, in dem Künstler und Autoren Selbstzensur üben müssen aus Angst vor Morddrohungen; wo Karikaturen über Jesus Redefreiheit sind, Mohamed zu zeichnen aber „
Hassrede“. Ein Europa, in dem viele Linke und Feministen, konfrontiert mit dem Leid der Apostaten, der Frauen und Minderheiten in der islamischen Welt, den Kopf in den Sand stecken. Gleichzeitig nutzen rechte Populisten die Gunst der Stunde und stellen sich als die neue Stimme der Freiheit und der Werte der Aufklärung dar, das Vakuum füllend, das die Linken hinterlassen haben, während ihre Aktivitäten eine weitgehende Zurückweisung jener Prinzipien zeigen."...
"Dieser Verrat religiöser und sexueller Minderheiten in der muslimischen Welt durch einige jener, die sich als „links“ bezeichnen, ist entmutigend. Ihre Charakterisierung der ex-Muslime, Feministen und Liberalen in der islamischen Welt als „Eurozentristen“ oder „Verräter der eigenen Kultur“ ist herablassend, sie stinkt nach ideologischem Paternalismus."
Ausgerechnet also Liberale aus dem Westen, die für sich das Erbe der Aufklärung in Anspruch nehmen, machen jenen das Recht zur Kritik streitig, die den konservativen Alltagsislam im Allgemeinen und den Islamismus im Besonderen aufdecken. 

Was sie da vergessen haben: Gerade Kritik ist die Voraussetzung jeglicher Aufklärung, auch im Islam. Und das sollte auch so bleiben, vor allem in Zeiten des neuen westlichen Populismus, der versucht, aufklärerische, humanistische Positionen für sich zu vereinnahmen und sich in dieser Tradition zu verorten ( z.B. indem jene Angstmacherpartei für eine parteinahe Stiftung den Namen des Philosophen der Aufklärung, Immanuel Kant, in Anspruch nehmen will ). Dabei soll  doch nur verschleiert werden, welch inhumane Ideologie verfolgt wird.

Ich habe in meiner Jugend die christliche Kirche bzw. ihre Vertreter in meinem Bildungsumfeld kritisiert und möchte mir jetzt von niemandem die Früchte der Aufklärung bzw. das Recht nehmen lassen, andere Religionen in gleichem Maße zu kritisieren. In meinen Augen zeugt es von Dummheit, diese Errungenschaften, die in harten geschichtlichen Auseinandersetzungen von unseren Altvorderen erkämpft worden sind, so zu verspielen...


6 Kommentare:

  1. richtig! und was für ein großartiges zitat! ich bin auf jeglichem religiösen boden etwas unsicher, von daher ist das kein ort, an dem ich fundierte kritik üben könnte. aber ich lasse mich gerne belehren. danke für diesen einblick!
    liebe grüße,
    jule*

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  2. Es gibt bei uns Religionsfreiheit, was ich sehr wichtig finde, und dann gibt es natürlich auch die Freiheit der eigenen Meinung und Kritik an Religionen. Das muss man dürfen, bei jeder Religion.
    Das Zitat finde ich sehr fundiert beobachtet und erschreckend wahr.
    Danke für Dein entschlossenes Eintreten in dieser Sache und liebe Grüße von Sieglinde.
    P.S. - könnte sein, dass ich eine Zeit offline sein muss - an unserem PC werden einige Dinge neu gemacht... ich hoffe aber dass ich bald wieder online sein kann.

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  3. Ich bin da ganz bei dir, wieder einmal. Eine kritische, aber eben differenzierte Auseinandersetzung sollte immer und bei jedem Thema möglich sein. Und wo mit zweierlei Maß gemessen wird, ist häufig etwas faul.

    Liebe Grüße,
    Sabrina

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  4. Liebe Astrid,
    es ist leider nicht nur das Europa der Aufklärung, das nicht mehr existiert, es existiert so vieles, was mit Selberdenken, freiem Aussprechen von kritischen Gedanken, sich engagieren etc. zu tun hat, nicht mehr oder bloß noch irgendwo am Rande. Nur nirgendwo anstoßen, sich nicht die Zunge verbrennen, politisch korrekt bleiben ... mundtot sein...
    Alles Liebe,
    Traude

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  5. als ich letztens kommentieren wollte ging es leider nicht dafür heute ;)
    ja.. eine sachliche Kritik müss jede Gruppierung aushalten
    egal was sie auf die Fahnen geschrieben hat
    ob Religion .. Partei .. Verein oder sonstiges
    Kritik ist etwas anderes als Verleumdung .. Blosstellung
    heute wird leider oft das letztere angewandt
    oder es wird der "Herde" kritiklos und anhimmelnd hinterher gelaufen
    und dann gibt es noch die Zeitgenossen die sich zwar über alles und jeden gerne das "Maul" zerreissen
    aber wehe es wagt jemand sie zu kritisieren..
    austeilen ja .. aber nicht einstecken..

    ich wünsche dir eine schöne Woche
    Rosi

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  6. Immer wieder gut bei dir nachzulesen... Fundierte und differenzierte Kritik kommt immer noch viel zu selten vor. LG Ghislana

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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