Mittwoch, 1. August 2018

Was steckt hinter dem Google Doodle von heute? VII


Schon wieder überrascht mich Google angenehm, denn es wird wieder einer tollen Frau gedacht, die hinter dem mächtigen Schatten eines berühmten Fotografen lange verschwunden war:  Gerda Taro, deren 108. Geburtstag heute ist.

© dpa















Denn die am 1. August 1910 in Stuttgart in eine jüdische Familie hineingeborene Gerta Pohorylle wurde lange nur als Arbeits- & Lebensgefährtin des weltberühmten Fotografen Robert Capa betrachtet

Ein Jahr vor ihrer Geburt ist ihre Familie aus Ost - Galizien ins Schwabenland ausgewandert, um den Pogromstimmungen in ihrer Heimat zu entgehen. Doch auch in Deutschland bleibt Gerta wie der Familie der schmerzlichste Augenblick nicht erspart, "zu erkennen, als Bürger 2. Klasse in der Welt“ zu sein, trotz aller Tüchtigkeit und allen Verdienstes. Gerta reagiert darauf mit besonderer Lebenszugewandtheit.

Capa, in Ungarn als Endre Ernő Friedmann geboren, ebenfalls Jude, ist aus politischen Gründen 1931 nach Deutschland emigriert. Später wurde er Gründungsmitglied der legendären Fotoagentur Magnum, der bekannteste Kriegsfotograf des 20. Jahrhunderts, dessen Fotos aus dem Spanischen Bürgerkrieg bzw. 2. Weltkrieg legendär und zu Ikonen der furchtbaren Geschehnisse im Europa des vergangenen Jahrhunderts geworden sind.

Gerda Taro, ein lebenslustiger Mensch und eine überzeugte Sozialistin, seit der berühmten Stuttgarter Werkbundausstellung 1929 mit der Losung "Benuetze Kunst als Waffe" vertraut,musste Nazideutschland 1933 verlassen, ebenso wie Capa, und beide lassen sich in Paris nieder. Ein Jahr später lernen sie sich kennen, sie als Bildredakteurin der Agentur "Alliance Photo". Er schult sie alsbald im Umgang mit der Kamera. Sie fotografiert mit einer Reflex-Korelle.

Die amerikanische Journalistin Martha Gellhorn, Hemingways dritte Ehefrau, beschreibt Gerta und Endre so: "Sie sahen so aus, wie ich hätte sein wollen. Ich wusste sofort, dass sie ein Liebespaar waren und die Miete nicht bezahlen konnten, und es war perfekt."

Um ihre Bilder besser verkaufen zu können, erfinden die Beiden die Figuren Robert Capa, einen angeblich in Paris lebenden reichen amerikanischen Fotografen, sowie die der Gerda Taro, seiner Agentin. Eine Amsterdamer Fotoagentur stellt Gerda einen Ausweis auf diesen Namen aus. Capa & Taro sind ein Team und froh, wenn sie  etwas verkaufen können.

1936 geht Gerda mit Capa - wie so viele Intellektuelle der Zeit - nach Spanien, um den Bürgerkrieg dort fotografisch zu dokumentieren. In der Folgezeit halten sie die Gräuel des Krieges auf Fotos für verschiedene internationale Zeitungen fest.

Am 25. Juli 1937 wird Gerda Taro bei einem Angriff der deutschen "Legion Condor" bei Villanueva de la Cañada unglücklicherweise von einem republikanischen Panzer überrollt, nachdem sie von einem Auto - Trittbrett abgerutscht ist, auf der Flucht vor einem Tiefflieger. 

Im englischen Lazarett von El Escorial wird sie noch operiert, erliegt aber schließlich ihren Verletzungen. Capa erfährt durch die Zeitung von ihrem Tod. Am Gare d’Austerlitz in Paris, wo der Leichnam ankommt, stimmt der Vater Heinrich Pohorylle das Kaddisch, das hebräische Totengebet an.
Am 1. August 1937, ihrem 27. Geburtstag, wird sie unter großer Anteilnahme auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise beigesetzt. Der Trauerzug wird angeführt von ihrem am Boden zerstörten Vater, von Pablo Neruda und Louis Aragon, gefolgt von Emigranten aus Deutschland wie dem Journalisten Egon Erwin Kisch und der Literatin Anna Seghers - eine beeindruckende Demonstration gegen den Faschismus! Der Schweizer Bildhauer Alberto Giacometti wird ihr Grabmal gestalten.

Ab da fiel Gerda Taro mehr und mehr dem Vergessen anheim, auch, weil sie zunächst ihre Bilder unter Capas Namen veröffentlicht hatte. Erst spätere Aufnahmen tragen ihr Signet. 

Eine Wende in der Sicht auf die spektakuläre Kriegsfotografien trat ein, als ein 1995 in Mexiko aufgetauchter Koffer 2008 geöffnet wurde: Er war voller Negative von Capa, Taro und "Chim" Seymour aus dem Bürgerkrieg, insgesamt 4500 Stück, im Krieg von einem Diplomaten aus Paris geschmuggelt, um sie vor den Nazis in Sicherheit zu bringen.

Erst da wurde klar, dass viele Bilder,  ja ganze Serien, die Capa zugeordnet worden waren, eigentlich von Gerda Taro stammten und qualitativ keinen Unterschied zu seinen Aufnahmen aufwiesen. Gerda hatte das Geschehen mit dem gleichen direkten Blick, der gleichen Härte, dem gleichen Mut betrachtet und fotografiert wie ihr Lebensgefährte, ganz nach seinem Anspruch: "Wenn das Bild nicht gut ist, warst du nicht nah genug dran." Und wie nah sie dran war, zeigen Fotos wie dieses:


Viele ihrer Fotos sind auch eine politische Anklage gegen den Krieg ( mehr Fotos von ihr hier ).

Eine detaillierte Biografie von 2013 würdigt inzwischen das Leben und Werk der ersten Kriegsreporterin. In Leipzig, der Stadt, in der sie bei der Machtergreifung gelebt hat, ist in diesem Jahr eine neu gegründete Schule nach ihr benannt worden.


17 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,
    das ist wieder ein sehr schöner Post, und ich habe wieder etwas gelernt, die Fotografin war mir bisher unbekannt. Schade nur, dass sie schon so früh aus dem Leben scheiden musste.
    Ich wünsche Dir noch eine wundervolle Woche.

    Viele liebe Grüße
    Wolfgang

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  2. Hallo Astrid,

    mal wieder ein ganz DICKES DANKE für Deine Vorstellung dieser Künstlerin!

    Liebe Grüße Luitgard Möschle

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  3. Danke für die interessante Kurzbiographie. Wie schnell mal wieder die Frauen hinter den großen Namen der Männer verschwinden. Ja, wirklich eine gute Aktion von Google!
    Liebe Grüße
    Andrea

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    1. Google erwirbt sich da allgemein & international Verdienste, wenn man sich die Doodle - Seite mal anschaut:
      https://www.google.com/doodles#archive
      LG

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  4. Ein kurzes und intensives Leben. Und mutig.
    Ihre Fotos zeigen wieviel Mut diese Frau hatte.
    Danke, dass Du sie (zusammen mit Google - welche Mischung!!) aus dem männlichen Schatten geholt hast.
    Herzlichst, Sieglinde

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  5. Liebe Astrid, eine interessante Biografie. Eine große Künstlerin.
    Liebe Grüße
    Susa

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  6. Eine tolle Frau. Und kaum einer kennt sie. Ich auch nicht. Aber dem Link werde ich heute am späten Abend mal folgen. Die Fotos siehen sehr nach "mehr" aus. Grüße von Rela

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  7. Das ist doch mal eine gute Nachricht aus Leipzig. Eine bewundernswerte Frau war sie.
    LG
    Magdalena

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    1. Leipzig ist ja nicht Dresden. Und auch dort kenne ich ganz wunderbare Leute.
      Ist halt alles nicht einfach...
      LG

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  8. Liebe Astrid,

    ich finde das echt toll, dass du bei den Google Doodles immer genau hinschaust und uns wieder so tolle Infos über die Personen, die dahinter stecken, mitbringst, wie jetzt von dieser bemerkenswerten Fotografin und Künstlerin. :-)

    Liebe Grüße und dir noch einen schönen Abend
    Christa

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  9. Super, danke, liebe Astrid!
    Herzliche Grüße aus dem derzeit wirklich nicht empfehlenswerten Paris.

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  10. Sie ging wirklich sehr nah ran. Eine mutige Frau. Nicht nur der Gefahr hat sie ins Auge geschaut, auch den vielfältigen Gefühlen, die sich in den Gesichtern, der Fotografierten zeigen. Ich bin fasziniert davon, wie sie die Stimmungen einfängt. Danke für's Vorstellen dieser großartigen Fotografin.
    Liebe Grüße
    Sabine

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  11. Danke für diesen Post.Wie gut, das einiges historisch in die richtige Autorenrichtung gebogen werden kann. So jung gestorben und schon so viel
    gesehen und festgehalten.
    viele Grüße, Karen

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  12. Was für eine tolle Frau, die in einem so kurzen Leben schon so viele, wenn auch fast verschollene Spuren hinterlasse hat.
    Dir ein dickes Dankeschön fürs Recherchieren.

    Liebe Grüße,
    Monika

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  13. Mir gab das Google Doodle auch Rätsel auf, wie toll dass du aufklärst und mich wieder klüger machst! LG Ulrike

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  14. jaa..
    ich habe das Doodle auch gelesen
    ich finde auch toll dass da in letzter Zeit so viele interessante Frauen auftauchen
    auch hier wieder jemand der hinter einem Partner "verschwindet"
    immer gut wenn man dann im Nachhinein noch Genaueres erfährt

    liebe Grüße
    Rosi

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  15. Als ich morgens den Rechner anmachte und mir Google erschien, habe ich tatsächlich als erstes an dich gedacht und ob du uns wohl was dazu erzählst. Das ist doch ein schönes Signal für dich, wenn du dich schon so in die Gedanken deiner Leser einbringst :-) Also vielen Dank auch hierfür!
    Liebe Grüße

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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