Freitag, 10. November 2017

Was ist da los in Saudi - Arabien?


Frau reibt sich ungläubig die Augen: Da werden in Riadh Fünf -Sterne-Hotels, darunter das Ritz Carlton, in Gefängnisse umgewandelt. Klar, müssen Multi-Milliardär Prinz Alwalid bin Talal und andere saudische Prinzen, Militärs, Geschäftsleute und Ex-Minister standesgemäß eingebuchtet werden, wo käme man da hin. Nicht dass sich noch Menschenrechtsorganisationen bemüssigt fühlen sich einzumischen!

Was war da passiert? Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman wurde vor einer Woche von seinem Vater Salman, angeblich regierender König von Saudi-Arabien, zum Chef des "Super-Komitees zur Bekämpfung der Korruption" berufen. Tatendurstig und schnell wie immer agierte der Prinz, sonst Wirtschaftsreformer und Kriegsherr, in der Nacht von Samstag auf Sonntag und ordnete als erste Amtshandlung die Verhaftung einer großen Anzahl von Prinzen und Geschäftsleuten wegen ihrer Verstrickung in Korruptionsfälle an.

"Al-Arabiya", das zum Medienimperium der saudischen Königsfamilie gehört, berichtete, dass mindestens elf Prinzen, darunter die Söhne des verstorbenen Königs Abdullah, vier bis dahin amtierende Minister und etliche frühere Minister verhaftet worden seien und zählt dann alle Kommissions- und Behördentiteln der Betroffenen auf, um ja den Ruch, es könne sich um etwas ganz anderes als einen Anti-Korruptionskampf handeln, von vorneherein zu vermeiden.

Was tatsächlich hinter dieser "Nacht der langen Messer" steckt: Nachdem der Najaf - Familienzweig im Sommer ausgeschaltet worden ist, indem Prinz Najaf seiner Position als destinierter Nachfolger des amtierenden Königs enthoben wurde, ist nun ein weiterer Zweig der al-Sauds dran gewesen, der des verstorbenen König Abdullah.

Endlich ist wohl die letzte interne Konkurrenz eliminiert. Dies widerspricht zwar dem Konsensmodell, welches die Grundlage der saudischen Familienherrschaft im letzten Jahrhundert war ( und weshalb bislang Prinzen und Würdenträger für nichts und wieder nichts alimentiert werden mussten ), doch nur so ist die Konzentration des saudischen Reichtums in den Händen eines einzelnen Familienzweiges möglich. Denn die Ölvorräte schrumpfen, der Preis dafür ist nach wie vor niedrig und die Kassen der al-Sauds leeren sich. Immerhin erlaubt es der Vorwurf der Korruption, das Vermögen der Angeklagten einzuziehen.


Und das alles übrigens unter dem Beifall der USA, weil ja Prinz Salman dafür steht, die wirtschaftliche, soziale und religiöse "Befreiung Saudi-Arabiens" einzuleiten, und weil es gut für Amerika ist. Es gibt schon Bemühungen in den USA, das Ereignis als echten Beleg des Reformwillens des Kronprinzen zu verkaufen.

Es geht aber wahrscheinlich um viel mehr, nämlich die Vormachtstellung Saudi - Arabiens im Nahen Osten:
"Die Araber, als deren Führer sich die Saudis sehen, stecken eine Niederlage nach der anderen ein. Die nichtarabischen Iraner aber verschaffen sich einen Vorteil nach dem anderen. Trump sollte aufpassen, dass er sich nicht vor den Karren der Saudis spannen lässt", meint der Kommentator der Süddeutschen Zeitung am Mittwoch.

Der verhaftete Prinz Alwalid ist übrigens eine der schillerndsten und reichsten Figuren des Nahen Ostens. Er ist an Konzernen wie Twitter, Apple, Rupert Murdochs News Corporation, der Citigroup und der Hotelkette Four Seasons beteiligt. Ihm wird Geldwäsche vorgeworfen. In beinahe jedem Bericht über seine Festnahme wird erwähnt, dass Alwalid früher geschäftliche Verbindungen zu Trump hatte und sich mit ihm überwarf, als Trump noch Präsidentschaftskandidat war. Der hatte in einem Tweet gedroht, dass im Falle seines Wahlsieges der blöde ( "dopey" ) Prinz nicht mit dem Geld seines Vater amerikanische Politiker kaufen könne... Huch! Nachtigall ick hör dir trapsen...


Was das für den seit Tagen inhaftierten Blogger Raif Badawi bedeutet, weiß ich nicht zu sagen. Vermutlich nichts Gutes, denn die in SA eingeleiteten "Fortschritte" sind in meinen Augen nichts als Tünche. Eine Delegation europäischer Parlamentarier auf Besuch im Lande ist jedenfalls ein Zusammentreffen mit ihm im Gefängnis nicht erlaubt worden. Es geht ihm wohl nach wie vor nicht gut...




12 Kommentare:

  1. Kommission zur Bekämpfung der Korruption,- als ich es letzte Woche in den Nachrichten gehört habe, war ich eher besorgt als erleichtert. Ich glaube den Saudis nichts im Sinn von Gleichberechtigung bzw. Menschenrechte --- zu, allerdings bin ich nicht so gut im Thema mit Hintergrundwissen wie du, liebe Astrid, vielen Dank für deine unermüdlichen Informationen.
    Gruß zu dir
    heiDE

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  2. Auch das gehörte zu den (zu) vielen Nachrichten, die ich diese Woche konsumiert habe... Ach, Astrid, wohin sind wir bloß unterwegs. Hier in der Region outen sich jetzt nach der BTW die Mitglieder der neuen Bundestagspartei, die z. B. längst in Schulfördervereinen sitzen und jede besondere Förderung von Flüchtlingskindern an ihren Schulen ablehnen, die Fördervereinsmittel sollen nur den deutschen Kindern zugute kommen ... Trägt gerade alles nicht so sonderlich zum AufdieBeinekommen bei... Ich geh dann mal atmen, hilft, wenigstens ein bisschen, um sich zu beruhigen. Lieben Gruß Ghislana

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  3. Tragikkomik diese Twitter... da auch Herr T. exakt weiss, was er tut - wen wundert's? Liebe Grüsse, Sibylle

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  4. Ich staune, was dort für Rechtszustände herrschen, wenn ein Prinz den anderen Prinzen beschuldigen, ins Gefängnis werfen und sein Vermögen konfiszieren kann? Vielen Dank liebe Astrid, für dieses interessante Thema.
    LG Heidi

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  5. Liebe Astrid, vielen Dank für die Informationen zu den Familiären Verhältnissen! Die kannte ich noch viel zu wenig. Und ja, wie sehr da gegen den Iran um die Vorherrschaft am Golf gekämpft wird (zB stellvertretend im Yemen) ist uns Europäern kaum bekannt.. Sehr interessant!!
    Zusätzlich möchte ich erwähnen, dass da auch noch ein riesiges Städtebau- (oder sogar Staatenbau-) Projekt ansteht, welches den Staat vom Erdöl unabhängig machen soll... Offiziell: http://discoverneom.com oder sonst verschiedene Medienberichte zu googeln unter "Neom". Da kommen einige Milliarden, die vielleicht von den verhafteten beschlagnahmt werden können, gerade recht - auch wenn auch durch die Ausgabe von Aktien in die ganze Welt ebenfalls viele (man spricht von 100) Milliarden eingenommen werden sollen... Man schätzt, dass das ganze Projekt vorerst 500 Milliarden USD 500'000'000'000 verschlingen soll. Die neue Sonderzone soll schon im 2025 bestehen, später 2 Millionen Menschen beherbergen, höchst technologisiert und fortschrittlich sein - und moderne, liberalere Gesetze haben.
    Da ist also extrem vieles im Tun und ich hoffe sehr, dass sich daraus auch Chancen für die Bevölkerung, für eine Öffnung und im Speziellen für Menschen wie Raif ergeben. Vielleicht bin ich auch zu blauäugig...? Auf jeden Fall sehe ich jetzt, im Zusammenhang mit diesen Umbrüchen und einer Regierung, die an ihrem Image arbeiten muss, auch Möglichkeiten. Mein Wunsch ist, dass die Finanzindustrie ihre Verantwortung wahrnimt und dass jetzt, zu dieser Gelegenheit von (uns) Allen nochmals so richtig auf Raif (und Andere) aufmerksam gemacht wird.
    Liebe Grüsse, Miuh

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    1. Ich glaube nicht, dass eine wirkliche Liberalisierung aus den Reihen des al-Saud - Clans kommen wird, MbS ist wohl jedes Mittel recht, seine eigene Macht zu sichern. Und ob die überwiegend junge Bevölkerung des Landes stark und willens genug ist, mehr für sich zu fordern und durchzusetzen, kann ich nicht beurteilen. Zur Zeit läuft da ein höchst riskantes Spiel, in dem genügend andere Länder & Völker geopfert werden könnten, aktuell der Libanon oder gar Israel.
      LG

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  6. Wahrhaft shakespeareartige Verhältnisse. Ich hatte es noch gar nicht mitbekommen, daher bin ich froh um Deine detaillierten Infos.
    Man möchte es zu gern glauben, dass dort sich etwas bessert, allein man weiß es besser. Wenn Besuche im Gefängnis bei Raif Badawi nicht erlaubt werden, dann ist das kein gutes Zeichen.
    GLG Sieglinde

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  7. Da werden ein paar Schachfiguren verschoben, ein paar Bauern geopfert.
    Reformwillen sehe ich da leider nicht.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  8. Das hört sich alles gar nicht gut an.
    Lieben Gruß
    Katala

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  9. Liberal ist man wohl nur dann, wenn es den eigenen Machtinteressen irgendeinen Vorteil verschafft. In Saudia Arabien wie anderswo. Da gibts gerede so ein Beispiel aus Österreich... so ein "liberal".

    Im Frühjahr 2018 wird auch bei uns endlich das Rauchverbot in Restaurants umgesetzt. Damit werden auch die Shisha-Lokale sterben, denn die fallen auch unter das Anti-Raucher-Gesetz in Österreich. Shisha ist die Wasserpfeife und in den letzten Jahren hat sich in Wien eine rechter Boom aufgetan. Es gibt echte Szenelokale, die gar nichts von muffigen türkischen Vereinslokalen haben. Sie sind urban, chillig und von verschiedensten Schichten besucht... alles was jung und urban ist ist da.

    Was glaubst du wer ein paar Tage vor der Wahl das noch aufs allerletzte Wahlkampftableau gebracht hat?
    Die FPÖ! Ja, du liest richtig. Die Daham-statt-Islam Leute nehmen sich dem Shisha-Kult an und wollen ihn schützen als "gelungene Integration"... total liberal? Von wegen! Ein guter Teil der Besucher der Lokale sind aus der 2. Generation der Balkanländer... und denen nimmt sich die FPÖ ja besonders an. Vorallem den Serben, weil die sind ja hauptsächlich christlich. Die Ex-Balkan-Gruppe ist einfach ein wesentlicher Faktor in Wien. und wenns hilft, dann kann man ja schon mal liberal sein!

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  10. All die bisherigen Nachrichten über großartige Refomen wie Frauen dürfen jetzt Autofahren oder Bekämpfung der Korruption wird wohl kaum jemand ernst nehmen. Bei dem "Kampf" gegen Korruption geht es bestimmt um die 700 Mrd., die da konfiziert werden. Vielen Dank für die Infos zu den Familienverhältnissen, liebe Astrid!
    Und noch kurz zum Kommentar von "verfuchstundzugenäht": im Zuge der Regierungsbildung will diese Partei tatsächlich das Rauchverbot ab Mai 2018 in der gesamten Gastronomie kippen! Das ist also ö Gesundheitspolitik im 21.Jahrhundert, wo das Abendland doch angeblich aufgeklärt ist, oder ;-)) Herzliche Grüße aus dem heute sehr grauen Wien, Petra

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  11. ich staune immer wieder, was einzelne menschen anrichten, wenn sie an der macht sind. schön wäre es ja, wenn es mal im sinne der menschlichkeit wäre.
    liebe grüße
    mano

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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