Freitag, 6. Juni 2025

Friday - Flowerday #23/25

 

Mir war so nach Blau.


Also hab ich eingesammelt,
was ich in dieser Blütenfarbe finden konnte.

Dafür war ich diesmal in mehreren Läden unterwegs - frau mag es nicht glauben!


Einen letzten  Stängel
Himmelblauer Südstern Oxypetalum coeruleum habe ich noch ergattert,...


... einen Bund mit Agapanthus an anderer Stelle, ...

... eine merkwürdige Glockenblumenvariante,...


... und zwei Clematisstängel.


Blaues Zubehör habe ich ja genug.


Und weil es auch noch für eine zweite Vasenfüllung gereicht hat,
zeige ich heute auch mal die Dekoration im sog. Sommerwohnzimmer.

Bon week-end!

                                                          

Und hier ist wieder Platz für eure Sträuße:

Donnerstag, 5. Juni 2025

Great Women #419: Lotte B. Prechner

Von der heutigen Künstlerin, die ich vorstellen will, kenne ich seit Jahrzehnten aus allen Ausstellungen bzw. Büchern zur "Neuen Sachlichkeit" nur dieses eine auffällige, beeindruckende Gemälde: 
© Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Irgendwann war ich so neugierig, mehr über Lotte B. Prechner zu erfahren, die schließlich ihren Nachlass dem mir vertrauten Rheinischen Landesmuseum in Bonn vermacht hatte und im Bonner Macke-Haus ( siehe auch dieser Post ) ausgestellt worden ist... 

Lotte B. Prechner erblickt am 1. Juni 1877 als Bertha Stein das Licht der Welt in Ueckermünde /Vorpommern, heute bekannt als ein Seebad am Stettiner Haff.

Ueckermünde
Es ist eine jüdische Familie, in die Lotte hineingeboren wird. Ihre Mutter ist Cäcilia Donig, ihr Vater der Tabak-/Zigarrenfabrikant Herrmann Stein. Über die Eltern ist heute nicht mehr bekannt, auch nicht, ob sie noch weitere Kinder neben Lotte gehabt haben. 

Sie gehören in Pommern zu einer Minderheit, die erst 1850 die volle Gleichberechtigung im damals noch preußischen Königreich erhalten hat. Zur Zeit von Lottes Geburt sind in Ueckermünde gerade mal 60 Juden als Mitglieder der Synagogengemeinde erfasst bei einer Gesamteinwohnerzahl von 4600.

Ihre Eltern wird Lotte später als "sozial empfindend aus tiefster Seele" charakterisieren. Sie praktizieren ihre Religion allerdings nicht, so weit man weiß.

Die Kindheit verbringt Lotte auf einem elterlichen Gut in Mecklenburg, bis die materiell gut gesicherte Familie nach Berlin zieht. Dort erhält das Mädchen seine Schulausbildung, dort beginnt sie als Gasthörerin ( Frauen sind zum Studium noch nicht zugelassen  ) ein Philosophiestudium, welches sie alsbald aufgibt. Dort lernt sie vermutlich auch den jüdischen Zahnarzt Hermann Prechner kennen, mit dem sie am 10. April 1901 in Potsdam die Tochter Paula Inge bekommt. Wann & wo sie geheiratet haben, ist nicht nachvollziehbar. Gewiss ist, dass die knapp Vierundzwanzigjährige um die Geburt der Tochter herum eine künstlerische Ausbildung an der Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins bei Ludwig Herterich aufnimmt - angesichts des bis 1919 gültigen Akademieverbots für Frauen wählt sie damit einen für eine zielstrebige Malerin jener Tage typischen Ausbildungsweg.

Selbstporträt
(ca.1905)
Die wenigen erhaltenen Frühwerke Lottes weisen keinerlei Verwandtschaft mit der Malerei ihres Lehrers auf, der sich ab 1880 mit Freiluftmalerei befasst und als Repräsentant der Münchner Schule in der Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts gilt. Zwei Porträts von Lotte selbst sowie ihrem Vater legen eher nahe, dass sie sich von Franz von Stuck hat inspirieren lassen. Ihre flächige Bildstruktur, durchaus dekorativ, weist eher auf den Jugendstil hin, der zu dieser Zeit in München in großer Blüte steht. In München soll sie freundschaftliche Beziehungen zu Emil Nolde entwickelt haben, der Schüler bei Adolf Hölzel in Dachau ist.

Schließlich geht auch Lotte nach Paris, zur Hauptstadt der Künstlerinnen avanciert, weil sich dort Frauen offiziell an den Privatakademien einschreiben dürfen. Die Académie Colarossi und die Académie Julian sind auch ihre Ziele wie das vieler anderer Künstlerinnen, z. B. Clara Rilke-Westhoff. Nach Aufenthalten in Florenz und Rom sind dann ab 1907 die Kunstgewerbeschulen in Düsseldorf und Köln ( der späteren Kölner Werkschule ) ihre Ausbildungsstätten. In Köln ist ihre Lehrerin Alexe Altenkirch ( siehe auch dieser Post ). Die nur wenig Ältere ermöglicht endlich das Aktzeichnen für Frauen und hat sicher auch die Beschäftigung mit druckgrafischen Techniken vorangetrieben. Gerade auf diesem Gebiet wird Lotte am überzeugendsten, was die künstlerische Eigenständigkeit anbelangt. Leider sind davon so gut wie keine Abbildungen im Netz zu finden und man muss sich auf das gedruckte Werkverzeichnis von 1998 beschränken. Ihr Biograf Werner Doede weist sie jedoch für diesen Lebensabschnitt noch als "gelernte Anhängerin des Impressionismus" aus.

Mit ihrem Mann lebt Lotte schon seit längerer Zeit in Köln, Hansaring 72. Für damalige Verhältnisse ist erstaunlich, dass sie ihre künstlerische Ausbildung ohne große Rücksicht auf familiäre Verpflichtungen auch durch mehrere Auslandsaufenthalte vorantreiben kann, sind doch die bürgerlichen Rollenvorstellungen für eine Ehefrau & Mutter ganz andere. Sie nimmt sich also das, was ihren malenden Kollegen ohne Umschweife zuerkannt wird. Die gemeinsame Tochter mit Prechner wird häufig bei einer Pflegefamilie untergebracht, taucht aber im malerischen Werk ihrer Mutter um die 1910er Jahre immer wieder auf. 

"Dorf"
( Jahr unbekannt )
Im zeichnerischen Werk dominiert die neue Heimat Köln und deren Umland, besonders die Rheinlandschaft & die Eifel. Auffallend ist, wie ihr Stil zwischen konventionellen Darstellungen und solchen der Bildvorstellungen der Avantgarde, besonders des Expressionismus, oszilliert. Eine eigene bildnerische Ausdrucksweise hat die inzwischen über Dreißigjährige offensichtlich noch nicht gefunden, sie behält allerdings die gedämpften Farben der niederländischen & französischen Moderne des späten 19. Jahrhunderts mit ihren dicken Pinselstrichen bei, die sie seit ihrer Ausbildung in München beherrscht.

1916 dann eine Zäsur, indem Lotte ein frauenatypisches Terrain betritt: Ihr wird als vermeintlich "einzige von der obersten Heeresleitung vorgelassene… Kriegsmalerin", so ihr späterer Lebensgefährte, vom General - Gouvernement in Brüssel die Reise durch Belgien genehmigt. Über ihre Erlebnisse, was sie dort mitbekommt von den durch die Kriegshandlungen vertrieben Menschen oder den Aktivitäten des Militärs - darüber gibt es keine Quellen. In ihrem künstlerischen Schaffen ist jedoch eine auffallende Wende zu beobachten:

Fortan dominieren sozialkritische Themen das Oeuvre der Künstlerin, die sich insbesondere auf dem Gebiet der Holz- und Linolschnitte bzw. Radierungen auf Kupfer- & Zinkplatten hervortut. So macht sie sich einen Namen in der Kunstwelt und hält mit ihren Arbeiten rasch Einzug in Museen und Privatsammlungen . 

Schon 1916, und dann erst recht 1918, hat sie an Ausstellungen im Kölnischen Kunstverein teilgenommen, im Leopold-Hoesch-Museum in Düren, im Obernier Museum Bonn. Der "Bonner General Anzeiger" schreibt 1918 zu Lottes ausgestellten Werken: 
"Über eine breite, flotte und durchaus männliche Zeichentechnik verfügt Frau Lotte B. Prechner, Cöln, deren Blätter unter anderem das Schloss in Brühl, malerische Winkel und Straßenszenen aus Cöln, [...] Landschaftsstudien aus der Bonner Gegend, aus der Eifel und namentlich aus Prag, zugleich Zeugnisse unermüdlicher Schaffenslust und überlegenen künstlerischen Geschmacks sind. [...]Alle ihre Arbeiten tragen eine starke persönliche Note; man empfängt den Eindruck, als habe sich die Künstlerin in diesen Blättern voll ausgelebt." ( Quelle hier )
Interessant ist, dass gerade in diese Zeit der ersten Erfolge ihr bemerkenswerter Wechsel in Technik, Stil und Motivwahl fällt. Circa fünfzig Holzschnitte mit sozialkritischen Inhalten entstehen, die Themen wie Streik, Flucht, Heimatverlust, gesellschaftliche Ausgrenzung & Isolation aufgreifen. 1922 stellt sie diese im Nassauischen Kunstverein in Wiesbaden aus, zusammen mit Werken von Wilhelm Lehmbruck, Christian Rohlfs, Heinrich Campendonk ihm Rahmen der Sektion "Westdeutsche Kunst". Der "Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers" meint zu Lotte B. Prechner:
"Heimatlos" bzw. "Hinter Gitter"
(1920)
"Eine stark zupackende Kraft, in Richtung und Temperament der Kollwitz sich nähernd. [...] Leistungen vor denen wir das Ausströmen heißblütiger Energie empfinden und davon gefesselt werden."

Mit diesen ihren aufrüttelnden wie eindringlichen Arbeiten macht sie sich im Rheinland in kürzester Zeit einen Namen und gehört schon Anfang der 1920er Jahre zu den profiliertesten Künstlerinnen der Region. Das Kölner Wallraf- Richartz- Museum kauft sechs Linolschnitte, andere Museen in Düren und Prag schließen sich an. Den Bekanntheitsgrad der Künstlerin befördern auch Aufsatzveröffentlichungen, darunter vom Bonner Professor Walter Bombe, einem Kunsthistoriker.

"Porträt Prof. Dr. Walter Bombe"
(Ausschnitt, o.Jahr )
Walter Bombe wird auch Lottes Lebenspartner, lebt mit ihr, ihrer Tochter und ihrem Ehemann gemeinsam in der Wohnung am Hansaring. Aus vorliegender Korrespondenz geht nicht hervor, dass dieses "Dreieck" zu Spannungen geführt hat. Im Gegenteil, es entsteht der Eindruck einer fürsorglichen, vertrauensvollen Beziehung zwischen den Eheleuten. Bemerkenswert ist dennoch, dass es kein einziges Porträt von Hermann Prechner in Lottes Œuvre gibt, dafür eine Vielzahl von Gemälden, Zeichnungen & Grafiken der Tochter mit Walter Bombe. Daraus kann man schon auf eine größere innere Distanz zwischen dem Ehepaar schließen. Bombe ist für das kreative Schaffen der Künstlerin auf jeden Fall ein wichtiges Korrektiv.

Am Hansaring führt Lotte auch ein offenes, geselliges Haus, in dem nicht nur Kontakte zur Kolleg*innen eine Rolle spielen, sondern auch die zu Schauspieler*innen, Journalisten, u.a. der Redakteur des "Kölner Stadt-Anzeigers", und zu Schriftstellern, darunter u.a. Wilhelm Schmidtbonn ( siehe auch dieser Post ). Sie ist auch sehr theateraffin und gehört zu den Mitbegründern des Kölner "Theater des werktätigen Volkes".

1921 schließt sich Lotte dem "Jungen Rheinland" an, einer Künstlervereinigung, die gerne als männliche Gruppe wahrgenommen wird. Dieses Bild der Gruppe von  Arthur Kaufmann rund um die Galeristin "Mutter Ey" scheint diesen Eindruck auch zu bestätigen:

Die beiden Damen neben Johanna Ey ( in der Mitte )
auf diesem Bild
sind übrigens keine bildenden Künstlerinnen
Heute werden im Zusammenhang mit dieser - einer der ersten Künstlergruppen nach dem 1. Weltkrieg - vor allem Namen wie Otto Dix, Max Ernst, Gert H. Wollheim in Verbindung gebracht. Immerhin sind 59 der 400 Mitglieder Frauen, die bis 1933 an den Ausstellungen der Vereinigung teilnehmen. Lotte ist in der Folge sogar die am häufigsten auf den Ausstellungen des "Jungen Rheinland" bzw. der "Rheinischen Sezession" vertretene Künstlerin. 
Fast alle Frauen sind heute, über hundert Jahre nach Gründung der Künstlergruppe, vollkommen aus dem Blickfeld der Kunstgeschichte verschwunden.

Mit der Öffnung der Akademien für Frauen nach dem 1. Weltkrieg ist zwar eine wichtige Hürde auf dem Weg zur gesellschaftlichen Anerkennung des Künstlerinnenberufs genommen und weibliche Kunst zusehends vom Vorwurf des Dilettantismus befreit, doch gibt es nach wie vor massive Vorbehalte gegenüber den Werken von Frauen. Noch 1928 veröffentlicht der Stuttgarter Kunsthistoriker Hans Hildebrandt eine Abhandlung mit dem Titel "Die Frau als Künstlerin", in der er Frauen die Eignung für den Beruf einfach abspricht: 
"Die Kunst der Frau begleitet die Kunst des Mannes. Sie ist die zweite Stimme im Orchester, nimmt die Themen der ersten Stimme auf, wandelt sie ab, gibt ihnen neue eigenartige Färbungen; aber sie klingt und lebt von jener.
( Auch mein Kunsthistoriker-Schwager hat in den 1980er Jahren in einer Diskussion mit mir Werke von Frauen als "weibliches Kunstgewerbe" abqualifiziert. )

Otto Dix:
"Die Malerin Lotte Prechner"
(1924)
Doch zurück zu Lotte B. Prechner, die auch in etlichen weiteren Künstlergruppen Mitglied ist, darunter auch der "Verein der Künstlerinnen zu Berlin von 1867" ( VdBK ). Besonders schätzt sie den Kollegen Otto Dix, von dem sie 1929 in einem Aufsatz schreiben wird: 
"... hat uns Künstlern der heutigen Zeit gezeigt, wie man ein Bildnis von realistischem Gehalt zu einem hohen Kunstwerk gestalten kann. Er ist einer der eigenwilligsten und kraftvollsten Künstler der Gegenwart. Ihm entgeht nichts."

Der so Gepriesene malt von ihr im Alter von 47 Jahren ein Porträt in Aquarell, heute in Braunschweig im Herzog Anton Ulrich - Museum.

1926 geht Lotte wieder für mehrere Monate nach Paris, begleitet von ihrer Tochter & Walter Bombe, um erneut Unterricht an der Académie Colarossi, vermutlich gemeinsam mit der Tochter, zu nehmen. Im Jahr darauf reisen sie gemeinsam nach Wien, Prag, Budapest. Ihr künstlerisches Credo ist, dass es zeitlebens "eine Beendigung des Studiums der Malerei kaum gibt". 

Mit Bombe suchen sie auch aufgrund von dessen Forschungsprojekten als Kunsthistoriker Italien auf. 1929 gibt es sogar Pläne, gemeinsam nach Berlin zu gehen, die sich zerschlagen, weil die private & finanzielle Situation Bombes aufgrund von Scheidungs- & Sorgerechtsauseinandersetzungen problematisch ist. Der schlägt sich mit Vorträgen in Kunstvereinen, Mitarbeit beim Westdeutschen Rundfunk und teilweise zusammen mit Lotte im Kunsthandel durch.

Frans Masereel "Porträt von Inge Prechner"
(1926)
Trotz ihrer Werke mit kritischem Blick auf die gesellschaftliche Realität in der Weimarer Republik sucht Lotte nie die Nähe politisch profilierter Gruppen wie der "Aktivistenbund" in Düsseldorf oder die "Novembergruppe" in Berlin.  Hingegen engagiert sie sich für Frans Masereel, dessen Ansatz, Kunst als Mittel zur Humanisierung zu nutzen, sie teilt. Sie ist bestrebt, dem Belgier Ausstellungsmöglichkeiten & Verkäufe in Köln zu verschaffen. Über die Kölner trifft sie im Hinblick auf ihre mäßigen Verkaufserfolge eine eher vernichtende Aussage:

"... Köln ist amusisch. Es sind vollgefressene Menschen, deren einziges Interesse dem Karneval gilt."

Gegen Ende der Zwanziger Jahre findet wieder eine Veränderung im künstlerischen Werk statt, indem sie Anschluss an die Stilrichtung "Neue Sachlichkeit" sucht. Das Gemälde, welches die Erinnerung an die Malerin bis heute wach hält -  das eingangs gezeigte "Epoche" - entsteht 1928 und wird in Düsseldorf bei der Ausstellung des "Jungen Rheinland" gezeigt. Ein zweites, heutzutage vielleicht noch populäreres, tritt in der Berliner Ausstellung "Die Frau von heute" in das Licht der Öffentlichkeit:

 "Jazztänzerin"
(1929)
© LVR-LandesMuseum Bonn

Prechners Figur einer zu Jazzmusik tanzenden Frau ist mit ihren geschlossenen Augen ganz auf sich selbst fokussiert allerdings ganz anders als die stark erotisierten Tänzerinnen in den Stadtlandschaften ihres Freundes Otto Dix:
"In ihrer androgynen Aufmachung repräsentiert sie den Typus der ‚Neuen Frau‘: Mit kurzem Haar, im Anzug und mit Zylinder bewegt sie sich selbstbewusst über die angedeutete Bühne, ohne sich für ein Publikum zu interessieren", meint Anna Zens an dieser Stelle.

Anfang der Dreißger Jahre beschäftigt sich Lotte auch wieder mit plastischen Arbeiten, die auch teilweise die sozialkritischen Themen fortführen wie der beeindruckende "Lebenskampf", heute ebenfalls bei der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Hause und ein wunderbares plastisches Werk, wie ich finde. 

Außerdem veröffentlicht sie zu dieser Zeit unterhaltsame Beiträge, eigenmächtig illustriert, in Zeitungen & Zeitschriften, darunter der vom Erzbistum Köln herausgegebene "Feuerreiter", der katholischen Arbeiterbewegung zuzurechnen und für die moderne Kunst engagiert.

Daneben schreibt sie Gedichte und lyrische Texte, persönliche Reflexionen, auch über die eigene Endlichkeit sowie Aufsätze, die sich an Kunstpädagogen richten. Sie beschreibt z.B. aleatorische Verfahren, experimentelle Techniken, die auf Adolf Hölzel zurückgehen.

Schon 1932 prophezeit Walter Bombe in einem Brief, dass man bei "dem Angriffswillen und der bewaffneten Macht der Nazis auf allerhand Unangenehmes gefaßt" sein müsse. Die Lebenssituation der Prechners verschlechtert sich alsbald. Man hofft, in Köln bleiben zu können. Bombe lässt sich gar als Gauleiter in den gleichgeschalteten Berufsverband "Fachschaft Wissenschaft und Schrifttum" wählen. Wie so viele, auch intelligente Menschen, glaubt er, es handle sich um eine vorübergehende politische Lage. Er lässt sich auch davon täuschen, als er eine Nachricht von der "Reichskammer der Bildenden Künste" bekommt, Lotte Prechner müsse nur ihre Mitgliedsbeiträge zahlen. Er schlussfolgert daraus, sie sei aufgenommen. Doch nichts ist gut...

Lotte befindet sich zu dieser Zeit in einer Rehamaßnahme, da sie seit einer Blinddarmoperation an Herzschwäche leidet. Die Repressionen nehmen weiter zu, und das Wallraf-Richartz-Museum entfernt ihre Kunstwerke aus der Sammlung bzw. sie werden 1937 als "entartet" beschlagnahmt. 

Lotte Prechner emigriert schließlich am 26. Januar 1938, ihr Mann 6 Wochen später, beide der Tochter folgend, die nach der Scheidung vom Journalisten Paul Kreuteler - Türk schon vorher nach Belgien gegangen ist und eine Wohnung in der Rue du Cornett 109 gefunden hat, wenige Meter vom wichtigsten Museum des Landes entfernt. 

Eines ihrer letzten Bilder heißt "Zigeunerlager bei Köln" und zeigt die Ghettoisierung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, deren Vernichtung ins Auge gefasst werden wird.

"Maternité"

Für ihren Mann bedeutet das Exil das Ende seiner beruflichen Tätigkeit. Sie als Künstlerin kann 1938 in Brüssel noch ausstellen und einen großen Anteil ihres grafischen Werkes an die Königliche Bibliothek verkaufen. Doch die persönliche Isolation und das damit einhergehende Vergessen ihres Schaffens lassen sich nicht aufhalten. 

Was sie in dieser Zeit geschaffen hat und ob überhaupt - das weiß man nicht. Im Nachhinein wird sie sagen, sie habe alles verloren, "Mann, Heimat, Existenz, Freunde, Familie, mein Heim, den Rhein, die Berge und alles, was ich dort geliebt" habe. "Und warum? Weil ich von einer jüdischen Mutter abstamme". Da sie nicht würdig gewesen sei, sei ihr auch schriftlich die künstlerische Arbeit verboten worden. "Darauf rissen einige Jahre der Verzweiflung... mich völlig nieder.

Immerhin darf sie im "Kunstsalon von Belgien" 1939 noch ihre Skulptur "Maternité" ausstellen. Wie prekär ihre Lage während der Kriegsjahre ist, kann man nur ahnen. Auch auf welche Weise es der Familie gelungen ist, einer Internierung bzw. Deportation nach dem Überfall auf das Land am 10. Mai 1940 zu entkommen, ist bis heute unzureichend geklärt. Es lässt sich nur mit der Protektion einflussreicher Freunde, darunter der Politiker & Nazikollaborateur Henri de Man, deuten. Auch haben Hermann & Inge Prechner bei der Registrierung im von den deutschen verordneten Judenregister nur unvollständige Angaben gemacht. Inge und ihrem Vater wird allerdings die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen.

Im April 1945 erliegt Hermann Prechner seinem Krebsleiden. Lotte bleibt mit ihrer Tochter in Brüssel, malt in der Nachkriegszeit Ansichten der Stadt, schildert auf ihren Bildern Volksfeste und Kirmessen , also das Leben der einfachen Leute, und knüpft damit an die Zwanziger Jahre an.

1954 heiratet Lottes Tochter den italienischen Feinkosthändler Antonio Guiliano aus Neapel. Dieser scheint die Existenz der beiden Frauen in den nächsten Jahren zu sichern und Lotte in die lebensfrohe Familie zu integrieren. Sie kehrt nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht wieder nach Deutschland zurück. 1954 schreibt sie in der Zeitschrift "Gleichheit": 

"1936. Ende bis 1954. Eine lange Zeit, in der man einen Künstler vergessen kann, wenn die Zeitverhältnisse es fordern, und noch dazu, wenn sie verlangen, ihn zu verachten und völlig aus dem Gedächtnis zu streichen, wenn ... er nicht rein arisch ist. So wie ich es bin! (...) Nun beginnt auch Deutschland sich wieder meiner zu erinnern. ... Das lässt mich nicht all meine Trauer, all mein Leid vergessen, doch es gibt Mut zu neuem Schaffen in dem Gedanken, wieder zugehörig zur Heimat zu sein."

Sie pendelt fortan zwischen Brüssel und Portici bei Neapel, wo sie mit ihrer Tochter und deren Mann einen Zweitwohnsitz hat. Lotte bleibt bis ins hohe Alter künstlerisch aktiv, schafft abstrahierte Landschaften in Öl mit - von ihr ungewohnt - starkfarbigem, informellem Farbauftrag. Die Freude an der Malerei bleibt ihr trotz künstlerischer Vereinsamung. Als sie am 10. Oktober 1967 im Alter von neunzig Jahren in Portici stirbt, steht noch ein unvollendetes Stillleben auf der Staffelei. Die Nachricht von ihrem Tod ist nur zwei Zeitungen eine Meldung wert.

Im Jahr zuvor ist noch eine Monografie über Lotte B. Prechner, von Werner Doede, 1945-55 Direktor der Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf, verfasst, herausgekommen. Der Kunsthistoriker lässt den eigentlichen Grund ihres "Zwang(s) zur Emigration", aus, ebenso den Nationalsozialismus und Lotte Prechners jüdische Abstammung - typisch für jene Zeit in der Bundesrepublik vor 1968.

Ein Großteil von Lotte B. Prechners Nachlass gelangt in den 1970er Jahren über eine Schenkung in die Sammlung des LVR-Landesmuseums Bonn. Doch noch lange findet ihr Œuvre kaum Beachtung und wird erst Ende der 1990er Jahre wiederentdeckt: 

In einer Kooperation des August Macke Hauses mit dem Landesmuseum (LVR) entsteht 1998 eine Ausstellung und eine umfassende Monografie mit Werkverzeichnis. 2019 zeigt das Düsseldorfer Museum Kunstpalast die Ausstellung "Zu schön um wahr zu sein – Das Junge Rheinland", und Lottes Werke dort sprechen die Kritiker so an, dass die hoffen, sie werde nicht erneut vergessen. 

2023 zeigt das Kunstmuseum Stuttgart im Rahmen der Ausstellung "Sieh dir die Menschen an!" Lotte B. Prechners "Epoche" & "Jazztänzerin". Ulrike Groos, die Direktorin des Museums, bezeichnet letzteres als eines ihrer Lieblingsbilder in diesem Zusammenhang. Im Jahr darauf ist die Ausstellung auch in Chemnitz zu sehen, im Museum Gunzenhauser. 

Lotte Prechners Werk auf diese beiden Gemälde zu reduzieren, halte ich allerdings für eine durch nichts gerechtfertigte Beschränkung. Ihr druckgrafisches Werk muss sich nicht hinter dem der berühmten Käthe Kollwitz verstecken, finde ich. 

                                                                            



Auch heute wieder ein Verzeichnis der Frauen,
denen ich im Blog schon einen Beitrag gewidmet die in dieser Woche einen Gedenktag haben:

Dienstag, 3. Juni 2025

Bücherlese Mai

Seit ich im vergangenen Sommer in meinen Gewohnheitsträcker den Punkt "30-Minuten-Lesen" aufgenommen habe, hat sich die alte Leselust wieder in gewohnter Weise zurückgemeldet, und ich hole nach, was ich in den Jahren der Pflege & der Trauer verpasst habe. 

Diese Rubrik in meinem Blog hab ich mir dann überlegt, um einmal für mich selbst festzuhalten, welche Bücher ich im zurückliegenden Monat gelesen habe, pflege ich doch die meisten von ihnen gar nicht mehr in die proppevollen Regale in unserer Bibliothek einzuordnen, sondern alsbald zum Bücherschrank unseres Bürgerzentrums zu bringen ( nur die mit fünf Sternen von mir Bedachten dürfen bleiben, momentan auf dem Fußboden stehend ).

So gut wie alle Bücher beschaffe ich mir im modernen Antiquariat, und auch unter den heute hier festgehaltenen ist nur eines ganz neu, von der Freundin aus Nord-Holland mitgebracht und also ein Geschenk.

Anregungen für die Lektüre bekomme ich u.a. von Bloggerinnen wie Andrea oder Roswitha. Und oft verfolge ich dann - bei Gefallen - weitere Veröffentlichungen dieser Autor*innen. Gerne schaue ich auch beim "Perlentaucher" vorbei. Die "Spiegel"- Bestsellerliste präsentiert mein Veedelsbuchladen, oft bestückt mit Kärtchen, auf denen sich Mitarbeiter*innen zu dem jeweiligen Buch äußern. Aber ich greife da so gut wie nie zu, habe ich ja aus den vergangenen Jahren noch viel aufzuholen.

Auf dem fotografierten Stapel fehlen zwei Bücher, die schon den Gang zum Bücherschrank antreten mussten sowie das, welches ich mir als Ebook gekauft habe: Das ist das Sachbuch "Unter Wert" von Emma Holten und "Frei" von Lea Ypi und "Judith und Hamnet" von Maggie O'Farrell sind nicht lange im öffentlichen Bücherschrank stehen geblieben.

Mein zweites Buch von Maggie O'Farrel in diesem Monat - "Porträt einer Ehe" - war eine echte Überraschung für mich, bin ich nicht unbedingt eine Leserin historischer Romanstoffe. Doch das Schicksal der Lucrezia de' Medici in ihrer Ehe mit Alfonso II. d'Este hat mich so mitgenommen, dass ich manches Mal aufhören wollte weiterzulesen, weil ich ja um das bittere Ende der Sechzehnjährigen wusste. Ich bin froh, dass ich das nicht getan habe, denn die Autorin hat für mich eine gute, befriedigende Lösung gefunden.

Auch das zweite Buch, das bleiben darf, ist die Folge einer Erstlektüre: Benjamin Myers "Offene See" hat mich mit seinen Beschreibungen der Natur, einer wundersamen Liebesgeschichte und als ein gelungenes Beispiel des literarischen Genres "Coming-of-Age" ( in meiner Schulzeit noch Bildungsroman genannt ) zu überzeugen gewusst. 

Saša Stanišic, diesmal vertreten mit "Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne", hat aufgrund seiner sprachlichen Qualitäten & seines Humors eh ein Stein im Brett bei mir. Noch mehr in Richtung "Skurrilität und Schönheit in schiefen Bildern" gingen die Geschichten von Jan Snela, dessen neuestes Buch jedenfalls vorgemerkt ist. 

Ein Buch ist auf dem Stapel, welches ich schon vor über zwanzig Jahren gelesen habe, nämlich das von Martin Doerry über seine Großmutter: "Mein verwundetes Herz". Das hat mich auch diesmal erschüttert. Ursache für die erneute Lektüre war allerdings meine Recherche für einen Great-Women-Post. Einen solchen habe ich wiederkehrend im Kopf über die Philosophin Hannah Arendt. Der "Non-fiction-Comic" von Ken Krimstein "Die drei Leben der Hannah Arendt" hat mich endgültig überzeugt, dass ich einen solchen bald mal schreiben sollte.

Unterhaltsam und daher schnell gelesen war "Tschick" von Wolfgang Herrndorf ( der ist mir vor fünfzehn Jahren durch die Lappen gegangen ). Nicht so schnell klappte das mit Helen Macdonalds "Abendflüge": So viele Informationen & Beschreibungen zu Landschaft, Natur, besonders Vögeln & Insekten, zu ihrer eigenen Lebensgeschichte, der Englands, so viele Gedanken zum Miteinander, Gesellschaft & Politik - da musste ich oft innehalten & simelieren. 

Ähnlich verhalten verlief die Lektüre von Renske Jonkmans Buch "Vom Glück, mit dem Wind zu leben". Das lag aber nicht am Wind, der sich einem entgegen stemmte, sondern an der fast unübersehbaren Bilderflut, gespeist aus Erinnerungen an die Polderlandschaft der Niederlande und an die niederländische Malerei durch die Jahrzehnte, die vor meinem inneren Auge vorbeizogen wie die Wolkenschiffe am Himmel in jenen Urlaubstagen, die ich im Nachbarland so oft verbracht habe. Und dann ist da noch eine andere Gemeinsamkeit mit der Autorin, die sie in Worte gefasst hat, die meine hätten sein können. So soll ein schönes Buch für mich sein...

Dass mich inzwischen Bücher mit Naturerfahrungen besonders anzusprechen vermögen, ist neu. Und ja, bei diesem Genre greift man am besten auf Veröffentlichungen englischsprachiger Autoren zurück. Das kann ich nur bestätigen.

Ich hoffe, dieser Beitrag erfüllt nicht nur den Zweck eines Memoposts für mich selbst, sondern ermuntert zu der einen oder anderen Lektüre. So wie es andere Bloggerinnen getan haben. Denen möchte ich noch einmal "Danke" sagen...